Es war einmal ein Meer, das kam eines Tages auf den Gedanken, es wäre ein Baum. Und von diesem Gedanken kam es einfach nicht mehr los. So ergeht es auch uns Menschen, wenn wir „Ich“ sagen. Alles Illusion. Und doch sagen wir stoisch „Ich“, mehr noch: Wir schicken unser Ich auf die Suche nach dem Glück. Wissend, daß auch das Glück nichts weiter ist als Illusion.
Der das denkt und als Erzähler immer wieder in neue passable Vergleiche gießt, ist ein Drehbuchautor namens Bart. Bart schreibt, während er das Glück sucht, über einen Drehbuchautor, der über einen Drehbuchautor schreibt, der das Glück sucht. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Und in der Tat scharwenzelt auch eine Katze durch die Schreibstube und setzt ihre Pfötchen auf die Tasten, um mit einem „zzz“ ein Nickerchen des Autors zu illustrieren.
Der philosophische Film beginnt als Essay mit vielen verblüffenden Überlegungen und optischen Vexierbildern, bei denen die Dimensionen nicht mehr richtig einzuschätzen sind, um sich dann immer mehr auf seine Handlung zu konzentrieren. Ja, es gibt sie, nur spielt die sich auf mehreren Ebenen ab, die traumartig miteinander verwoben sind.
„Der Bildwandler ist kaputt“, heißt es an einer Stelle, in der ein TV-Gerät repariert wird. Bildwandler beschreibt auch das Grundprinzip des Filmes. Ein Bild nach dem anderen verpufft als Illusion und löst sich auf in einem neuen Bild. Ein durchaus vergnügliches Spiel mit unserer Wahrnehmung und letztendlich mit unseren Erwartungen von einer Filmgeschichte. Das Kino streift das Korsett des dramatischen Dreiakters ab und wird wieder zur Trickkiste. Denn trotz einfallsreicher verbaler Exkurse über Sein und Nichtsein ist es die Bildebene, die fesselt. Das unterscheidet Barts Glückssuche doch deutlich von Hektors Suche in François Lelords Roman „Hektors Reise“, wo das Thema sich schnell in biederes Wohlgefallen auflöst. Hier hingegen führt es zu immer neuer Irritation.
Ob es sich um einen Mann handelt, der den Raum durchquert und am Ende dieser Durchquerung nur noch halb so groß ist, um ein Weizenfeld, das vom Wind gepeitscht den Eindruck eines Meeres vermittelt, um eine Katze, die durch einen Stuhl hindurchläuft, es sind Bilder von äußerster Klarheit, bei denen man doch nicht weiß, woran man eigentlich ist. Daß der Film schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, macht da gar nichts – es sei denn, man stört sich an Barts quadratischem Bildschirm.
Originaltitel: DE ZEE DIE DENKT
NL 2000, 100 min
FSK 0
Verleih: Tao
Genre: Experimentalfilm, Poesie
Darsteller: Bart Clever, Rick de Leeuw, Don Duyens
Regie: Gert de Graaff
Kinostart: 04.10.12
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...