Der Dokumentarfilm erzählt die Entstehungsgeschichte des heute international berühmten „Orchestra Piazza Vittorio.“ Sie geht zurück auf eine Idee des Komponisten Mario Tronco, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, auf die fremdenfeindliche Politik der Berlusconi-Regierung mit der Gründung eines multikulturellen Orchesters zu kontern. Musik, so seine Idee, sei eine universale Sprache und daher das perfekte Kommunikationsmedium, um (auch) zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft zu vermitteln.
Tronco ahnte wohl schon, daß er sich damit eine Sisyphusaufgabe geschaffen hat, und bat deshalb seinen Freund Agostino Ferrente, den Prozeß der Orchestergründung filmisch zu dokumentieren. Also war die Kamera dabei, wenn Tronco sich der Suche nach begabten Musikern von einem chinesischen Laden zum nächsten durchfragte. Sie beobachtet sowohl den kubanischen Trompeter beim Yoga und belauscht die beiden tunesischen Sänger dabei, wie sie sich leicht abschätzig über die lautmalerischen Improvisationen ihres ecuadorianischen Kollegen äußern: „Das ist doch kein Lied!“ sagt der eine, „Ohne Text kann es doch gar kein Lied sein!“ sagt der andere.
Leider ist diese Behauptung durchaus auf den Film übertragbar, denn dem fehlt leider manches Mal der rote Faden, die filmische Melodie für seine Geschichte, die aus diesen teilweise sehr atmosphärischen Aufnahmen mehr machen würde als eine ambitionierte TV-Doku. Ferrente versucht zwar, diese spezielle Melodie anzustimmen, indem er die dokumentarischen Handkameraaufnahmen immer wieder durch inszenierte Super-8-Bilder im Stile bewußt kitschiger Familienfilme unterbricht. Leider gerät er dadurch manchmal ins unfreiwillig Komische.
Das ist ein bißchen schade, denn es wäre in diesem an sich schönen Film noch so viel Platz für seine hinreißenden Protagonisten gewesen. Hätte man all diese unterschiedlichen Charakterköpfe erst mal eine Kakophonie ihrer unterschiedlichen Stimmen und Geschichten entfalten lassen, dann hätte ihre Zusammenarbeit im Orchester einen wahrhaft komplexen Klang bekommen. Leider hält sich Ferrente doch lieber an die klassische Dokfilmpartitur, als ein wenig zu improvisieren. Diese kleine Schwäche machen seine charismatischen Protagonisten aber wieder wett. Sie sind es, die das Orchester und den Film tragen, denn sie brennen für das, was sie tun, kompromißlos.
Originaltitel: L'ORCHESTRA DI PIAZZA VITTORIO
I 2006, 93 min
Verleih: Kairos
Genre: Dokumentation, Musik
Regie: Agostino Ferrente
Kinostart: 22.07.10
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.