D/Österreich 2017, 90 min
FSK 0

Genre: Dokumentation

Regie: Andreas Pichler

Kinostart: 28.09.17

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Das System Milch

Wider die Mär von den glücklichen Kühen

Dokumentarfilme über Produktion und Verbrauch von Nahrungsmitteln – seien es nun Fleisch, Zucker oder Mineralwasser – haben in den letzten Jahren Konjunktur. Oft kommen sie in einem aufklärerischen Tonfall daher, der zuweilen ins Agitatorische abgleitet. Die neue „Food-Doku“ DAS SYSTEM MILCH hingegen vermeidet schrille Töne und zeichnet stattdessen ein differenziertes Bild der europäischen Milchindustrie und ihrer Auswirkungen, die weit über den Kontinent hinausreichen. 

Für den dänischen Agrarunternehmer Peder Mouritsen sind seine 750 Kühe bloße Nummern. Es zählt allein die Rentabilität. Trotzdem schreibt sein Betrieb angesichts niedriger Milchpreise ständig rote Zahlen. Ohne die EU-Subventionen würde er keinen Gewinn erzielen. Auch der Milchbauer Martin Geiger aus Deutschland sieht keine Alternative zum Wachstum. Frustriert erzählt er, daß sein Familienbetrieb mittlerweile mehr Geld verdient mit Biogas, das aus den Exkrementen der Kühe gewonnen wird, als mit der Milch. Zwar sei es für die Tiere fraglos das Beste, auf der Weide zu stehen, doch das sei einfach nicht mehr zu finanzieren. Alexander Agethle aus Südtirol dagegen setzt auf regional verankerte Bio-Milchwirtschaft. Er nimmt bewußt kleinere Erträge und damit mutmaßlich auch einen geringeren Verdienst in Kauf, um unabhängig und in Einklang mit der Natur wirtschaften zu können. Dieser Wirtschaftsweise gehören klar die Sympathien von Regisseur Andreas Pichler. Jedoch ist es eine Stärke des Films, daß er die verschiedenen Bauern nicht gegeneinander ausspielt, sondern die Zwänge und Nöte aufzeigt, denen sie ausgesetzt sind. 

Auch Vertreter der Milchindustrie kommen zu Wort. Sie schwärmen von China als neuem Absatzmarkt und exportieren Milchpulver in großem Stil nach Afrika, wodurch die Milchbauern dort in Existenznot geraten. Pichler, der sich mit gut recherchierten und politisch engagierten Dokumentationen wie DAS VENEDIGPRINZIP oder EUROPE FOR SALE einen Namen gemacht hat, enthält sich jeglichen Kommentars. Stattdessen zeigt er die Auswirkungen dieser Industrie auf Umwelt und Kreatur. So wird in Südamerika Urwald gerodet, um Kraftfutter für die europäischen Hochleistungskühe anzubauen. Diese geben bis zu 70 Liter Milch am Tag. Ihre Euter sind so grotesk groß, daß sie kaum noch laufen können. Müssen sie auch nicht, denn sie verbringen ihr kurzes Leben ohnehin überwiegend im Stall statt auf der Weide, wie es viele Milchverpackungen suggerieren.

[ Dörthe Gromes ]