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Das verflixte 3. Jahr

Zuneigung im Zeitalter des Smartphones

Manchmal gibt’s sie ja, diese Augenblicke temporärer Verwirrung. Zum Beispiel, wenn man auf das Plakat des hiesigen Films blickt und einen Lippenstift in Patronenform erspäht. Was will uns das sagen? Schießwütige Frauen voraus? Fehlgeleitete Emanzipation? Oder – Moment, da kommt ein Geistesblitz – vielleicht: Love Is A Battlefield?!

Vermutlich würde Marc für Letzteres plädieren, denn der Literaturkritiker und Kolumnist hat eben eine unschöne Scheidung hinter sich. Und weil heutzutage alles schneller geht, scheiterte die Ehe nicht am von unseren Omas stets düster orakelten siebten, sondern im dritten Jahr. Was Bestsellerautor Frédéric Beigbeders Regiedebüt nach eigener Vorlage zu einem genialen Vorspann inspiriert, welcher knapp aufzeigt, wie sich Zuneigung in Desinteresse wandelt und das Handy höhere Wichtigkeit als der Partner erlangt. Marc ist nun fertig mit der Liebe, schreibt einen Abrechnungs-Roman. Doch pötzlich kreuzt die atemberaubende Alice seinen Weg ...

Und da hat Beigbeder formal allerhand zu bieten, es mangelt nicht an schrägen Ideen – vom vierfach durchgespielten ersten Treffen bis zu auf der Leinwand visualisierten Kurznachrichten. Inhaltlich fällt ihm dagegen weniger ein. Zwar funktioniert seine autobiographische Beziehungsanalyse, wenn sie ihren Zynismen freien Lauf oder herrlich rotzige Sprüche vom Stapel läßt. Aber ganz offen: Laue Späßchen wie Synchronkotzen, selbstmitleidiges Reden zum Publikum und überbordender Kitsch am Heile-Welt-Ende riechen verdächtig nach hollywoodesker Anbiederung, welche wiederum den offensichtlichen Ansatz, das Genre zu untergraben, torpediert. Vergnüglichkeit statt Regelbruch.

Wie das Plakat weiterhin verrät, handelt es sich hier um „Die französische Sommerkomödie des Jahres!“ Dem kann man bedenkenlos zustimmen, als Einleitung lauschiger Biergartenabende oder zum Ausleben wärmebedingter Hormonattacken eignet sich diese Geschichte ohne Zweifel, der Starttermin wurde klug gewählt. Oder konkreter formuliert: Die Brillanz, ebenso während anderer Jahreszeiten nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben, fehlt Beigbeders Romantikausflug. Unter anderem deshalb, weil er beim Sinnieren über unterschiedlich große Brüste, gräßliche Füße sowie typisches Männerverhalten eine spannende Frage zwar anreißt, aber nicht weiter verfolgt: Wie schafft man es denn nun, 57 Jahre miteinander zu verbringen?

Originaltitel: L’AMOUR DURE TROIS ANS

F 2012, 100 min
FSK 12
Verleih: Prokino

Genre: Komödie, Romantik, Literaturverfilmung

Darsteller: Gaspard Proust, Louise Bourgoin, Valérie Lemercier, Jonathan Lambert, Joey Starr

Stab:
Regie: Frédéric Beigbeder
Drehbuch: Frédéric Beigbeder

Kinostart: 19.07.12

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...