D/USA 2016, 124 min
FSK 12
Verleih: Farbfilm
Genre: Dokumentation
Regie: Karin Steinbrenner, Marcus Vetter
Kinostart: 27.10.16
Jens Söring ist ein schmaler Mann mit einer großen Brille und ein eloquenter Gesprächspartner. Vor der Kamera scheint er jede Minute des Gesprächs zu genießen, als ahne er, daß dies die letzte Chance ist, seine Botschaft „nach draußen“ zu senden. Söring sitzt seit mehr als 30 Jahren als verurteilter Doppelmörder im amerikanischen Knast. Er büßt er für ein Verbrechen, das er laut eigener Aussage nicht begangen hat, und für das er trotz unklarer Indizienlage und vielfacher Verfahrensfehler verurteilt wurde. In ihrem wie ein Justizkrimi gestrickten neuen Dokumentarfilm DAS VERSPRECHEN gehen Katrin Steinbrenner und Marcus Vetter der Frage nach, wie der hochbegabte, damals 18jährige Deutsche in diese Situation geraten konnte.
Nach THE FORECASTER hat sich das Regie-Duo wieder ein Projekt vorgenommen, in dem es buchstäblich um alles oder nichts geht. Sitzt Söring zu Recht im Gefängnis, weil er die Eltern seiner Freundin Elisabeth Haysom brutal ermordete? Oder wurde der naive Erstsemestler zum unfreiwilligen Mitspieler eines ausgeklügelten Komplotts seiner attraktiven Freundin, die mit Anfang 20 schon diverse Drogenerfahrungen hinter sich gebracht hatte und auf der Uni als verwegen und ein wenig verrückt galt? Beide wurden in getrennten Prozessen für den Mord verurteilt. Sörings Prozeß war einer der ersten, die in den USA live im Fernsehen übertragen wurden. Es war ein Medienspektakel, in dem der Sohn eines Diplomaten als „German Monster“ bekannt wurde.
Vetter und Steinberger wollen den Fall nun auf andere Art medial aufarbeiten. Sie haben drei Jahre lang vor Ort und in Archiven recherchiert, mit Söring gesprochen und vieles zu Tage gefördert, das Zweifel an seiner Schuld nährt. So verwundert es nicht, daß nach zwei spannenden Stunden kein Zweifel mehr daran zu bestehen scheint, daß hier ein gigantischer Justizirrtum vorliegt. Dennoch ist man als Zuschauer leider nicht wirklich in der Lage, fundierte Schlüsse zu ziehen, denn es gilt auch hier die Devise: Du siehst nur, was Du gezeigt bekommst.
Trotzdem ist DAS VERSPRECHEN ein spannender Dokumentarfilm – ein Besuch im Kino lohnt sich auf jeden Fall. Nicht zuletzt, weil man – quasi als Nebeneffekt – mal wieder daran erinnert wird, wie gut es ist, daß Gerichtsverhandlungen (zumindest in Deutschland) jenseits medialer Kanäle stattfinden. Denn ob die mediale Spiegelung wirklich der Wahrheitsfindung dient, bleibt auch nach diesem filmischen Plädoyer offen.
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.