Originaltitel: FAHIM
F 2019, 108 min
FSK 12
Verleih: Tobis
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Assad Ahmed, Gérard Depardieu
Regie: Pierre-François Martin-Laval
Kinostart: 07.11.19
Das mit dem Schach ist eine faszinierende Sache. Ein „Denksport“, wie es so schön heißt, dem zugleich etwas ungemein Grausames innewohnen kann. Eine Art psychologische Kriegsführung, die durchaus in der Lage ist, des Spielers Psyche und somit Leben zu zerrütten. Was Sylvain Charpentier nur zu genau weiß. Irgendwann in jungen Jahren war der so etwas wie eine französische Schach-Hoffnung. Jetzt fristet der gealterte, so bärbeißige wie kurzatmige Koloß von Kerl in einem Pariser Vorort sein einsames Dasein und versucht, in einem runtergekommenen Klub Kindern die Finessen des Königsspiels beizubringen. Daß dabei Sylvains pädagogisches Geschick recht ausbaufähig ist, merkt man auch, als der kleine Fahim auftaucht, der mit seinem Vater in einer Flüchtlingsunterkunft lebt.
In einer Zeit, in der „der gute Mensch“ vor allem als „Gutmensch“ verachtet wird, bekommen das Gute im Menschen beschwörende Filme wie DAS WUNDER VON MARSEILLE automatisch einen gehobenen Stellenwert. Was freilich noch nichts über irgendwelche Qualitäten sagt. So wie man diese – das muß man zugeben – in einschlägigen Filmen ja auch oft vermißt. Im konkreten Fall nun ist das anders. Nicht, daß Regisseur Pierre-François Martin-Lavals seine Geschichte ungewöhnlich originell erzählen würde; was das angeht, folgt hier alles einer Wie-am-Schnürchen-Dramaturgie, in der Lachen und Weinen so ausgeglichen abgeschmeckt sind wie in der Bouillabaisse eines routinierten Chefkochs, der keine Lust mehr hat, mit Überraschungen zu punkten.
Aber warum auch, wenn man mit Gérard Depardieu auf einen ganz dicken Fisch des Kinos vertrauen kann, der hier einen wunderbar garstig-traurig-müden Sylvain abgibt. Und ja: Wie der dann durch diesen von Flucht und Verlust traumatisierten, schwierigen und begabten Rotzjungen Fahim noch einmal aus seiner Lebensmüdigkeit erweckt wird, wie er über Schach und Sein philosophiert (vom einen ziemlich viel, vom anderen eher weniger verstehend), erinnert ganz wie nebenbei daran, daß das schon in Ordnung geht. Also das mit dem Ein-guter-Mensch-Sein.
Daß der Film einer nach den berühmten „wahren Begebenheiten“ ist, spielt da nur noch nebenher eine Rolle. Wie auch das recht salbungsvoll geratene Happy End in Lebens-Glück samt Spiel-Ehren zur Schachmeisterschaft in Marseille. Wie gesagt: Der Stellenwert liegt anderswo.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.