Originaltitel: THE ODD LIFE OF TIMOTHY GREEN
USA 2012, 105 min
FSK 6
Verleih: Disney
Genre: Drama, Märchen
Darsteller: Jennifer Garner, Joel Edgerton
Regie: Peter Hedges
Wenn im Vorspann eines Films das Dornröschen-Schloß erscheint, dann fährt man als Zuschauer am besten seine innere Zuckerguß-Resistenz hoch, denn das Studio mit dem Flaggschiff Familienfilm geizt in seinen Werken damit zumeist nicht. Aber selbst die ultimative Disney-Prophylaxe kann einen kaum vorbereiten auf die beißende Süße von TIMOTHY GREEN, dem Jungen, der aus dem Garten kam zu einem Paar mit unerfülltem Kinderwunsch.
Die lebendig gewordene Lektion in Sachen Verantwortung erwächst aus den Zetteln, die Cindy und Jim Green, besagtes Paar, zuvor mit den Eigenschaften ihres Wunschkindes gefüllt und in einer Schachtel im Blumenbeet vorm Haus vergraben haben. In der Nacht fällt Regen, was in der dürregeplagten Kleinstadt, in der die Greens wohnen, schon Wunder genug wäre. Aber dann ward Timothy. Der rehäugige Junge sieht aus wie ein normaler 10jähriger, ihm wuchern allerdings Blätter aus den Knöcheln. Statt schnellstens die Polizei oder das Jugendamt zu rufen, wundern sich Verwandte und Nachbarn nur über den seltsamen Jungen, der plötzlich bei den Greens wohnt. Und die Greens selbst sind natürlich einfach nur beglückt und schnallen sofort, daß der Bengel aus ihrer Kiste im Garten gekrabbelt sein muß. Dem grünen Daumen seiner Erzeuger sei Dank ...
Daß Timothy fortan nur niedliche, putzige Sachen macht und beinahe jede halbwegs gelungene Szene in besagtem Kitsch auf Bild- oder
Tonebene ertrinkt, ist die eine Sache. Das weitaus größere Problem dieses Pseudo-Märchens ist die Unstimmigkeit der Erzählebenen. Denn wenn ein übernatürliches Element in ein realistisches Universum kommt, dann sollten die Konsequenzen seines Erscheinens zumindest halbwegs realistisch bleiben (siehe E.T.). Im Kleinstädtchen der Greens kommt keiner, auch die durchaus vorhandene Polizei, nicht auf die Idee, einmal nachzufragen, woher dieser Junge eigentlich kommt, und, was noch viel bedenklicher ist, auch nicht, wohin der Junge verschwunden ist, nachdem Timothy nach getaner Arbeit (siehe obige Lektion) wieder in sein Erdloch zurückkehrt.
Statt als eine Parabel auf das Abenteuer Elternsein könnte man als Mensch ohne Weichspüler im Blut diese Kitsch-Dramödie auch ganz unsentimental als verklärte Wahrnehmung zweier Kindesentführer interpretieren. In der Tat äußerst wundersam, diese Geschichte.
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...