Originaltitel: UN HOMME PRESSÉ

F 2018, 100 min
FSK 0
Verleih: NFP

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Fabrice Luchini, Leïla Bekhti, Rebecca Marder

Regie: Hervé Mimran

Kinostart: 22.08.19

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Das zweite Leben des Monsieur Alain

Luchini im Alleingang für die gute Sache

Überhöhung? Tja ... Vielleicht ist es für einen echten Vollblut-Manager ja total normal, einfach weiterzumachen, obwohl nachts Schmerzen im Arm auftreten und er plötzlich zusammenklappt. Zweimal in Folge. So geschieht’s Alain Wapler, Workaholic der vordersten Front, außerdem irgendwie Vater (und Dozent) von Tochter Julia, Witwer. Ein, bringen wir’s auf den Punkt, emotional armes Würstchen, verheiratet mit Wirtschaftsnachrichten und Börsenkursen, eingehüllt im Duft schnöden Mammons.

Was ein doppelter Schlaganfall – den vorwarnenden ersten hat Wapler nicht registriert – so abrupt wie nachhaltig kappt, unter anderem Sprachstörungen verursacht, derer sich Logopädin Jeanne annimmt. Sie wiederum leidet als adoptiertes Kind unter Zugehörigkeitsdefiziten, sucht ihre biologische Mutter. Und schon hätten wir da zwei extrem konträre Charaktere, bereits lose verbunden durch individuelle Schicksalsneigungen, weswegen eine Annäherung nicht nur möglich, sondern sogar zwingend scheint!

Weil das alles nun auf der Autobiographie des Konzernmanagers Christian Streiff fußt, kann man diese Prämisse kaum als filmisches Konstrukt abwinken, selbst wenn sie arg aus kantenlosen Versatzstücken gebaut wirkt. Und sich im Handlungsverlauf eben wenig Mühe gibt, daran was zu ändern, jeglichen erzählerischen Haken meidet: Straffen Schrittes geht’s der logischen Freundschaft entgegen, ohne nennenswerte inszenatorische Gegenwehr erfolgt Waplers Läuterung, eine allerdings tatsächlich anrührende Szene läßt Jeanne endlich die Maman finden. Viel mehr wortwörtlichen Spielraum bekommt die bezaubernde Leïla Bekhti indes auch nicht, Jeanne bleibt über weite Strecken Stichwortgeberin, hübsch anzuschauendes Beiwerk, quasi Assistentin Fabrice „Alain“ Luchinis. Dessen Solo schlicht hinreißt.

Wie er beim Sprechen vollkommen selbstverständlich Buchstaben und Silben vertauscht, unter der hektischen Schale die verkrümmt im Gefühlseck kauernde Seele aufspürt, sich zurückkämpfen möchte in ein Arbeitsleben, welches ihn dafür letztlich bloß immer neu fies in den Hintern latschen will, ist gewaltig große Schauspielerei. Und trägt schließlich doch sehr galant über manche zu oft gesehene, echten Funkensprung verhindernde Standardsituation hinweg – genauso wie ein knuffiger Kind-im-Mann-Riese, der Jeanne umwirbt, indem er seinem Skateboard einen Namen gibt.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...