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Day Is Done

Fensterblick ins eigene Leben

Film kann so einfach sein. Manchmal genügen ein Blick aus dem Fenster und zwei Kartons voller Mailbox-Nachrichten. Der Schweizer Regisseur und Autor Thomas Imbach (HAPPINESS IS A WARM GUN) hat daraus einen beeindruckenden Film gemacht. Einen Film über sich selbst, in dem er selbst aber nur für einige Sekunden als Spiegelung in seinem Atelierfenster zu sehen ist. Ein filmisches Selbstporträt ohne Selbst. Klingt erst einmal wahnsinnig künstlich und konzipiert. Imbachs große Leistung ist es, daß er es schafft, den bei erster Betrachtung strengen Formalismus schnell vergessen zu machen und den Zuschauer auf eine eigenartig atmosphärische Reise in die eigene Vergangenheit mitzunehmen. Seine eigene Abwesenheit ist dabei der Schlüssel.

Denn erzählt wird die Hauptfigur vornehmlich auf der Tonebene. Imbachs Anrufbeantworter hat über 15 Jahre Nachrichten seiner Lieben aufgezeichnet, die als Puzzlestücke einer Charakterisierung fungieren. Was anfangs beschränkt und eintönig erscheinen mag – der Blick aus ein und demselben Fenster eben – entpuppt sich nach und nach als spannendes Kaleidoskop, dessen Kinotauglichkeit einem sich Aufnahme um Aufnahme mehr erschließt. Die Ereignisse vor der Kamera bilden in ihrer sich steigernden Dramatik eine überraschend überzeugende Kongruenz zu den zunehmend emotional aufgeladenen Tonaufzeichnungen. Unterbrochen oder besser gesagt ergänzt wird der rote Faden des Atelierblicks und der AB-Nachrichten durch elf stimmungsvolle Songs und sorgsam ausgewählte Aufnahmen von einigen der Menschen, die uns zuvor nur als Stimmen bekannt werden. Ansonsten bleibt Imbach konsequent. Ein Blick und ein Anrufbeantworter. Das Ergebnis ist dennoch um Welten facettenreicher als jedes allabendlich über Deutschlands TV-Bildschirme flimmernde „Reality“-Schnittfeuerwerk.

In Wayne Wangs Drama SMOKE macht der Tabakverkäufer Auggie jeden Tag eine Aufnahme von derselben Ecke in Brooklyn. Auggies Freund, der Schriftsteller Paul, versteht beim Blick in Auggies Fotoalben Auggies scheinbar eintöniges Projekt nicht so ganz. Bis er Aufnahmen seiner mittlerweile verstorbenen Frau entdeckt und so berührt ist, daß er in Tränen ausbricht. So oder zumindest so ähnlich geht es einem als Zuschauer bei DAY IS DONE: Nach und nach entdeckt man Reflexionen des eigenen Lebens in Imbachs Selbstpoträt ohne Selbst. Und spätestens dann ist man gefangengenommen.

Originaltitel: DAY IS DONE

CH 2011, 111 min
Verleih: Arsenal Institut

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Thomas Imbach
Drehbuch: Thomas Imbach

Kinostart: 05.01.12

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...