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Deine Schönheit ist nichts wert

Träumen gegen die Tristesse

„Deine Schönheit ist nichts wert, gäbe es nicht diese Liebe in mir“ – das sind die ersten zwei Zeilen eines Liebesliedes des türkischen Dichters und Sängers Asik Veysel, nach dem der 12jährige Veysel benannt ist, und dessen Lieder er rauf und runter hört, während er von Ana, seiner hübschen Klassenkameradin, tagträumt. Diese Tagträume sind der einzige Trost, den Veysel im Alltag findet. Der zweite Sohn einer nach Wien emigrierten kurdisch-türkischen Familie ist in der Schule wegen seines mangelhaften Deutsch ausgegrenzt.

In der elterlichen Wohnung im Neubaublock findet Veysel auch keinen Frieden, seit Veysels älterer Bruder Mazlum von zu Hause abgehauen ist, und die Sorge um ihn die Beziehung der Eltern immer mehr belastet. Als Veysels Versetzung in die nächste Schulklasse am Vortrag eines Gedichts zu scheitern droht, entschließt sich der kleine Romantiker, jenes anfangs zitierte türkische Liebeslied ins Deutsche zu übersetzen. Da weder Vater noch Mutter gut deutsch sprechen, wendet sich Veysel schließlich an seinen Nachbarn Cem, einen vermeintlichen Aufreißer, der, wie sich herausstellt, wie Veysel an Liebeskummer leidet. Die beiden helfen sich gegenseitig mit Hilfe der Lyrik Asik Veysels aus ihrer Misere.

Mit großer Sensibilität erzählt Hüseyin Tabak in seinem Abschlußfilm der Wiener Filmakademie seine Geschichte eines einsamen Jungen in einem fremden Land. Dabei steht und fällt alles mit seiner stillen, empfindsamen Hauptfigur, für die Tabak in Abdulkadir Tuncer hier ohne Zweifel die Idealbesetzung gefunden hat. In seinen sehnsuchtsvollen, verträumten Blicken findet der Film sein emotionales Zentrum. In Veysels kleinem Universum zwischen Schule, Wohnung und Hinterhof verhandelt Tabak große Themen und schafft es, das Politische immer mit zu erzählen, ohne es zu vordergründiger „Problemfilm“-Größe anschwellen zu lassen.

Darüber hinaus vermag es der Regisseur und Autor, daß sich trotz der harten Schicksalsschläge für seine Figuren Tragik und Komik gut die Waage halten. Letztere speist sich vor allem aus den oft absurd anmutenden Situationen, wenn echte Flüchtlingssorgen auf hiesige Beamtenkleinkariertheit treffen. So gelingt ein herzergreifendes Drama zwischen beklemmender Realität und der befreienden Kraft von Phantasie und Humor.

Österreich 2012, 85 min
FSK 6
Verleih: Barnsteiner

Genre: Drama, Poesie

Darsteller: Abdulkadir Tuncer, Nazmi Kirik, Lale Yavas, Orhan Yildirim

Stab:
Regie: Hüseyin Tabak
Drehbuch: Hüseyin Tabak

Kinostart: 03.04.14

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...