Österreich 2022, 101 min
FSK 12
Verleih: 24Bilder
Genre: Dokumentation
Regie: Kurt Langbein
Kinostart: 29.09.22
Daß Freundschaft Gegensätze überwinden kann, ist eine Binsenweisheit. Aber wie das so ist mit Binsenweisheiten: Es ist meist was Wahres dran. Selten wird jedoch über den Preis der Freundschaft geredet, also über die Notwendigkeit, aus den eigenen, gemütlichen Denkecken herauszukommen, über eine gewisse Lust an der Konfrontation und mitunter auch über das schlichte Aushalten des Gegenübers, das so anders ist als man selbst. Tugenden, die unserer verunsicherten Gesellschaft abhanden zu kommen drohen.
Die Freundschaft zwischen Florian Klenk, Chefredakteur der linksliberalen Wiener Wochenzeitung „Falter“, und Christian Bachler, selbsternannter „Wutbauer“ aus der Steiermark, begann mit einer Beschimpfung auf Facebook. Bachler regte sich in einem oft geklickten Video über einen Kommentar auf, in dem Klenk das Urteil gegen einen Bauern rechtfertigte, dessen freilaufende Kühe eine Touristin totgetreten hatten. Der „Ober-Bobo“ – österreichische Bezeichnung für einen linksgrünen Besserwisser – habe keine Ahnung von der Lage der Bauern und solle doch mal zu ihm auf den Hof kommen und ein Praktikum machen.
Statt beleidigt zu sein, nahm Klenk die Einladung des Bauern an. Er lernte die Herausforderungen des Klimawandels kennen, die ständigen Geldsorgen, die Liebe zur Almwirtschaft, die sich finanziell kaum rechnet, die Verzweiflung angesichts der Zukunftsungewißheit … Als Bauer beschreitet Bachler neue Wege, er experimentiert mit alten Haustierrassen, bringt Yaks auf die Almen und vermarktet seine Produkte direkt. Auch nutzt er ausgiebig soziale Medien, um Dampf über die Verhältnisse abzulassen. Andere Bauern betrachten ihn mit einer Mischung aus Skepsis und Bewunderung. Als Altschulden den Hof in Schwierigkeiten bringen, startet Klenk eine Rettungsaktion via Crowdfunding.
DER BAUER UND DER BOBO lebt vor allem vom rauhbeinigen Charme Bachlers, der sein Herz auf der Zunge trägt. Die schönen Bilder der traumhaften Bergwelt machen die Liebe des Bauern zu seinem Hof verständlich, gleichzeitig idealisiert der Film nicht. Selten werden die komplexen Fragen von moderner Landwirtschaft und Ernährung so unterhaltsam und ohne erhobenen Zeigefinger gezeigt wie hier. Irgendwann wird Bachler das Gegenpraktikum im Wien antreten. Zwei Welten sind einander begegnet und reicher dadurch geworden.
[ Dörthe Gromes ]