„Dort, wo der Wald sieben Tage tief ist“ pflanzte Reinhard Lakomy seinen Traumzauberbaum, für Kinder, für immer. Auch für Erwachsene gibt es ab sofort einen solch’ verwunschenen Kunstort, auf dem allerdings hauptsächlich Neurosen blühen. Er liegt unter der Erde, ist ausgestattet wie ein Reihenhäuschen aus den 70ern, bloß ohne Fenster. Drinnen wartet eine Kleinfamilie auf ihren Gast. Der ist Student mit hochtrabenden wissenschaftlichen Ambitionen und hat wohl schon deshalb keine Antenne für das Bedrohliche des unterirdischen Eigenheims.
Am Abendbrottisch hocken Herr und Dame des Hauses sowie Klaus. Dem 8jährigen Knaben mit Greisengesicht und Pagenschopf lassen die Eltern die beste aller Erziehungen angedeihen, soll aus dem gnomenhaften Bürschlein im psychedelischen Schlafanzug doch einmal ein Präsident werden. Flugs wird der Student in das umfassende Bildungsprojekt eingebunden und vermittelt Klaus als Hauslehrer vor allem Grundkenntnisse in Geographie. Aber die werden nicht helfen, um aus dem Bunker wieder herauszukommen. Wenigstens nicht lebend.
Die Begeisterung, die Nikias Chryssos’ Spielfilmdebüt von der Kritik entgegenschlug, war groß, aber auch ein wenig ratlos. Einigen konnte man sich auf das Wörtchen „seltsam“, das diesem bis in die nebensächlichste Requisite durchgestalteten Kammerspiel seit seiner Berlinale-Premiere wie eine Kriegsflagge voranweht. Denn wo vier Personen eine Geschichte suchen, fühlt man sich – schon aus Höflichkeit – zum Mitsuchen verpflichtet. Und ist doch einigermaßen verwirrt, wenn sich da nur Assoziatives findet. Eine Horrorkomödie über Exzellenzinitiativen? Eine erotisierte Studie der gestörten Bildungsbürgerseele mit entblößten Brüsten und offenen Beinen?
So wenig sich dieses Filmunikum auf ein inhaltliches Anliegen festnageln lassen will, so beredt ist es doch als Belegsammlung einer ästhetischen Sozialisation, die zwischen schrillem Unterhaltungskino und Leinwandhochkultur keine Unterschiede macht. Manche meinten, den Geist von David Lynch über Chryssos’ beklemmenden Szenerien schweben zu sehen, andere mögen Reminiszenzen an den Neuen Deutschen Film oder lustvolle Verbeugungen vor Grusel und Fantasy entdecken.
Sicher ist: DER BUNKER gehört zu den stilvollsten Versuchen, sich dem Zwang zum „Sinn machen“ mit einem Grinsen zu entziehen – dorthin, wo das Kino sieben Tage tief ist.
D 2015, 89 min
FSK 12
Verleih: Drop-Out Cinema
Genre: Tragikomödie, Schräg, Horror
Darsteller: Oona von Maydell, David Scheller, Pit Bukowski
Regie: Nikias Chryssos
Kinostart: 04.02.16
[ Sylvia Görke ]