Originaltitel: BOYCHOIR

USA 2014, 104 min
FSK 0
Verleih: Square One/Universum

Genre: Tragikomödie, Musik, Erwachsenwerden

Darsteller: Garrett Wareing, Dustin Hoffman, Kathy Bates, Debra Winger, Josh Lucas

Regie: François Girard

Kinostart: 27.08.15

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Der Chor

Nicht für die Schule, sondern für das Leben singen wir!

Im Interview mit „The Independent“ sprühte Dustin Hoffman kürzlich nicht gerade vor Optimismus: „I Think Right Now [...] It’s The Worst That Film Has Ever Been.“ Das Kino ist derzeit also am Tiefpunkt angelangt? Nicht, wenn man Filme wie diesen als Maßstab anlegt. Hätte Hoffman wissen können, er spielt ja schließlich mit.

Zunächst lernen wir jedoch Stet kennen, einen rebellischen 12jährigen, dessen alkoholkranke Mutter soeben tragisch verstarb. Der Junge, bereits viel zu früh zwangsweise erwachsen geworden, wird vom bislang unbekannten und situationstechnisch ziemlich überforderten Vater auf eine noble Chorschule geschickt. Schnell entfaltet sich dort Stets Talent, allerdings hat Chorleiter Carvelle – eben Hoffman – echte Probleme angesichts der fragwürdigen, aufbrausenden Manieren seines neuen Schützlings. Allerhand Konflikte und Kämpfe folgen, mißgünstige Konkurrenten wollen nicht gerade Gutes, außerdem droht die Karriere mit Einsetzen des Stimmbruchs vorbei zu sein, bevor sie möglicherweise richtig beginnen kann. Stet hat indes schon zu viel hinter und sicherlich noch mehr vor sich, um jetzt einfach aufzugeben!

Man glaubt, diese Geschichte zu kennen, und tatsächlich ist da was Wahres dran – echte Innovationen birgt die Handlung kaum. Aber darum geht’s nicht wirklich, denn schließlich kann die Filmindustrie ja nun nicht ständig wild um Originalität trommeln, sondern darf sich ruhig aufs „Wie“ besinnen. Und das klappt hiesig nun hervorragend, indem das unbedingt im Auge zu behaltende Nachwuchstalent Garrett „Stet“ Wareing ein Dreigestirn großer Darsteller herausfordert. Die knarzig-widerwillige Selbstgerechtigkeit des Dustin Hoffman unterläuft ganz hinreißend Kathy Bates, welche ihre Schuldirektorin ständig am Rand des Nervenzusammenbruchs befindlich anlegt, gleichzeitig dennoch zum Mitgefühl befähigt ist und rustikal keine Scheu zeigt, den Lehrkörper entschlossen zusammenzufalten. Und daß Debra Winger mal wieder eine (Neben-)Rolle ausfüllen darf, dankt sie durch eine tolle Leistung, trotz ihr aufgezwungener gruseliger Oberbekleidung.

Solche geballte Hingabe läßt sie leuchten, die Geschichte über Selbstfindung und Heranwachsen. Zwar gestaltet sich dabei die Suche nach dem hohen D als akustische Prüfung auch für großstadtlärmgestählte Zuschauerohren, davon abgesehen begeistern die zu Gehör gebrachten Gesänge indes ohne Einschränkung – häufig ertönen sie tatsächlich, die im deutschen Untertitel versprochenen „Stimmen des Herzens“, und man lauscht ihnen vollkommen gebannt.

Und wie steht’s um den Rührungs-Effekt? Nun, sämtliche Beteiligten wissen nur zu genau, welche Knöpfe es zu drücken gilt, um das Gefühlsrad am Laufen zu halten, und scheuen nie davor zurück, Emotionen einzufordern. Erfolgreich, wohlgemerkt, weil für jedes Gemüt etwas geboten wird: Ein Besucher braucht es vielleicht recht offensichtlich – gern! Einen anderen spricht eher Subtiles an – haben wir! Und garantiert sei: Sogar der abgebrühteste unter den knüppelharten Kerlen wird am Ende heftig schlucken, denn manchmal genügt ein simples „Hey ... I’m Sally ...“

Bei allem Respekt: Man muß Hoffmans obiger Aussage sowieso widersprechen, doch hätte die ihn hier umgebende Ansammlung von Mimik-, Drehbuch- sowie Regiekönnen eigentlich eines Besseren belehren und diese ziemlich unreflektierte Äußerung obsolet machen sollen. Verklärte Nostalgie eventuell?

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...