D 2019, 117 min
FSK 12
Verleih: Constantin
Genre: Drama, Historie, Literaturverfilmung
Darsteller: Elyas M’Barek, Heiner Lauterbach, Franco Nero, Alexandra Maria Lara, Jannis Niewöhner
Regie: Marco Kreuzpaintner
Kinostart: 18.04.19
Diese blauen Augen blitzen sogar noch fast 80jährig, hier in Zorn und Haß: Franco Nero mimt Fabrizio Collini, einen unbescholtenen Bürger, welcher den höchst respektierten Industrie-Mogul Hans Meyer praktisch hinrichtet. Und sich danach ohne Widerstand verhaften läßt. Zur Pflichtverteidigung tritt Caspar Leinen an, gerade drei Monate dabei, ein Greenhorn, für dessen Darstellung Elyas M’Barek die nachgewiesen publikumswirksame rotzige Zeki-Müller-Art nicht immer völlig abschüttelt, insgesamt trotzdem überzeugende neue Schauspielsaiten aufzieht. Alexandra Maria Lara als Johanna – Meyers Enkelin sowie Leinens Ex-Sommerliebe – mißlingt das wiederum, gewohnheitsmäßig blickt sie meistens bloß wahlweise leidend oder zickig aus großen Augen. Wohingegen Heiner Lauterbachs antagonistisch agierender Nebenkläger Richard Mattinger gleichermaßen wegen schrecklichen Kopfschmucks und empathieloser Kälte verstört.
Darstellerisch geht also nahezu alles klar, und visuell gibt’s ebenfalls nie Grund zur Klage: weg von typisch teutonischer TV-Optik, hin zu eleganten Kamerafahrten, komplexen Bildern, kränklich gelb, wenn sie den Fall betreffen, entsättigt bläulich innerhalb Leinens Erinnerungen an die Vergangenheit, da will jemand auf Farbebene kontrastieren, paßt doch! Zugestanden, akustisch hätte dagegen teils ein weniger pathetisches Orchester anschwellen dürfen.
Bleibt aber ignorierbar, weil die Inszenierung packt: Selbstverständlich deckt Frischling Leinen einen Skandal auf, das gehört zu den quasi festgeschriebenen Regeln des Genres, die ruhige Umsetzung indes erstaunt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden da manche Kollegen Spannungsarmut schimpfen, was wir unaufgeregtes Erzählen nennen: emotionales Understatement, langsame Entwicklung, kein Reinplatzen informationsschwangerer Überraschungszeugen, verhalten aufregende Recherche. Sozusagen eine geschickte Vorbereitung des letzten Aktes.
Jener erhebt dann umso kraftvoller seine Stimme, indem er herausschält, daß Recht und Gesetz durchaus die Gerechtigkeit in den Dreck treten können. Jetzt schlägt sie massiv zu, die bislang bewußt zurückgehaltene Intensität, bei Mattingers Plädoyer möchte man eigentlich nur kotzen, und lamentiert die Anwaltslegende schließlich an die Wand gedrückt „Es war damals eine andere Zeit!“, rumort ein einziges Wort in Kopf und Bauch: wirklich?
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...