D 2002, 127 min
Verleih: Concorde
Genre: Drama, Liebe
Darsteller: Karoline Eichhorn, Antonio Wannek, Ralph Herforth, Sebastian Urzendowsky, Peter Lohmeyer
Regie: Dominik Graf
Kinostart: 25.07.02
Mancher argwöhnte, mit Dominik Grafs DER FELSEN habe sich ein veritabler Experimentalfilm, sprich: etwas furchtbar Wagemutiges, unter die Augen der letzten Berlinale-Jury geschmuggelt. Graf arbeitete hier zum ersten Mal mit einer digitalen Videokamera. Das haben andere vor ihm auch schon getan, vielleicht sogar aus ganz ähnlichen Gründen, denn: Das Budget konnte mit den geplanten technischen Ausmaßen des Vorhabens nicht Schritt halten. So packte man den lächerlichen Betrag von 6,4 Millionen DM am Kragen, begab sich nach Korsika und machte aus der Not eine Tugend: schneller, direkter, in groben, wimmelnden Pixeln erzählen. Aber was?
Vielleicht die Urlaubserinnerungen einer Jedefrau, die im französischsprachigen Ausland nach ihrer seelensprachlichen Grammatik sucht? Wie auch immer, Katrin heißt sie jedenfalls, ist um die dreißig und würde die Ereignisse wahrscheinlich so zusammenfassen: "Da fahr ich mit diesem Architekten (mein Chef, eigentlich verheiratet, du erinnerst dich?) zu einem Kongreß nach ... wo Napoleon herkam, weißte? Und da fällt dem plötzlich ein, daß seine Frau schwanger ist und er zu ihr gehört. Und wie der weg ist, läuft mir ein Typ über den Weg, der mir gleich den Ring klaut (den vom Jürgen, weißte?). Der war erst siebzehn, aber süß. Und sein kleiner Bruder tauchte dann auch noch auf, und dann ... Moment ... die Bilder krieg ich erst nächste Woche. Jedenfalls waren die in so einem Kriminellen-Lager, und dann wurde geschossen, und als ich mal kurz die Kamera aus hatte, war der Typ plötzlich tot. Wirklich!"
Der von Graf kritisierte "Erzähl- und Kostbarkeitscodex" des deutschen Kinos wäre hiermit aufgehoben. Aber wozu? Zu etwas Höherem, will die ganz zu Anfang formulierte Poetik Glauben machen: Ein Straßenhändler bietet Zufallsfunde feil und rechtfertigt den Preis mit immer neuen, selten plausiblen Geschichten um ihre innere Zusammengehörigkeit. Daß es zu jeder Fabel mindestens eine Alternative gibt, bestätigt dann auch eine orakelnde Stimme aus dem Off, deren Inhaber wahrscheinlich Tom Tykwers LOLA RENNT gesehen und für hinreichend klug befunden hat - auch wenn jener Verschwender sein gesamtes Erspartes an satte 35 Millimeter verschleuderte.
[ Sylvia Görke ]