Es war einmal anno 1818 das glückliche Ehepaar Bell. Dessen Tochter Betsy hatte sich gerade erstmals verliebt, aus dem Nichts erklangen sanfte Geigen, und Mama mahnte schon damals ebenso besorgt wie unromantisch zur Erledigung der Schulaufgaben. Seufz. Doch die Idylle nahm ein jähes Ende, denn unvermittelt begann ein unsichtbares Wesen, das unschuldige Mädchen zu malträtieren, welches fortan tagsüber den Unterricht verschlief und nachts allerlei paranormale Peinigungen erleiden mußte. Mutti machte hilflos traurige Miene zum bösen Spiel, die Violinen wichen körperlosen Stimmen, ein blutdurstiger Wolf scharwenzelte um das familiäre Domizil. Schließlich wurde der Geist gar dreist: Er konzentrierte seine Attacken auf den Herrn des Hauses. Und wenn die Bells trotzdem nicht gestorben sind ...
Eigentlich keine klassische Gute-Nacht-Geschichte, in der Wirkung einer solchen jedoch eng verwandt. Okay, visuell gibt es nichts auszusetzen: Die tadellos geführte Kamera wechselt zwar ohne rechten Sinn zwischen Farbe und s/w, umschmeichelt ansonsten den Sehnerv aber ebenso wie schöne Kostüme und Settings. Über derartiges kunstgewerbliches Flair kommt unsere Betsy mit müden Retorten-Schocks und löchrigem Spannungsbogen indes kaum hinaus, weil es ihr an Innovationen oder Eigenständigkeit fehlt. Exorzismusbedürftige Maiden, Blair Witch, Witch Bitch, Bell Witch Déjà vu alles eine große, zu oft aufgetischte Gruselsuppe. Da kann Darsteller James D’Arcy noch so tapsig Werbung betreiben, indem er prophezeit, " ... daß das Publikum sich vor Angst in die Sitzlehnen krallen wird." Lediglich ein unerwartet beklemmendes und alles Gesehene umwerfendes Finale läßt Zuschauerherzen höher schlagen, wenn auch primär die von Zynikern.
Besonders schade ist es allerdings um Sissy Spacek. Scheinbar hat sie ein Alter erreicht, in dem viele Aktricen der Hollywood-Fluch namens "Es gibt nur noch Trostrollen für reifere Damen" trifft. Soll Spacek nach dem faden RING 2 und eben Betsy Bells Geschichte ihr Talent zukünftig tatsächlich in Horrorstreifen vergeuden?! Ein übler Gedanke. Die verblichenen Ex-Diven Davis und Crawford winken zum Gruß ...
Originaltitel: AN AMERICAN HAUNTING
USA 2004, 96 min
Verleih: Splendid
Genre: Horror
Darsteller: Donald Sutherland, Sissy Spacek, James D’Arcy, Rachel Hurd-Wood, Matthew Marsh
Stab:
Regie: Courtney Solomon
Drehbuch: Courtney Solomon
Produktion: Courtney Solomon
Kinostart: 11.01.07
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...