Philipp ist ein Künstler, so wie man sich einen Künstler vorstellt: Er trinkt, ist vielbeschäftigt und schwebt leichten Fußes immer ein Stück über dem Boden, auf dem andere Leute ihre Schuhe ablatschen. Außer fürs Theater interessiert er sich für herzlich wenig auf der Welt. Seine Tage verbringt er damit, Verse von Woyzek, den Brüdern Karamasow und anderen Gestalten der Weltliteratur auswendig zu lernen, um sie abends irgendeinem Publikum ins Gesicht zu brüllen. Frauen sind für ihn schönes Beiwerk.
Als sein bis dato unbekannter Onkel Walter plötzlich in seine kleine Welt eindringt, scheint es, als treffen zwei Antipoden aufeinander. Der alte, stämmige Mann wirkt wie ein Fremdkörper, der mit Philipps ständiger Sucht nach
Applaus reichlich wenig anfangen kann. Dabei hat er selbst sein Leben lang auf Bühnen gestanden. Doch anstatt sich um Rampenlicht zu suhlen, kämpfte er mit Bären, warf Messer, brach sich Nasenbeine und verlor sein Gehör.
Die Regisseure Tizza Covi und Rainer Frimmel haben mit DER GLANZ DES TAGES eine kleine, feine Charakterstudie auf die Leinwand gebracht. Der Eitle und Selbstverliebte trifft auf den Hilfsbereiten und Selbstgenügsamen. Und auch wenn ziemlich schnell klar wird, wem hier die Sympathiepunkte zufliegen, so ist Philipp niemand, den man ins Jenseits jagen möchte. Seine Eitelkeiten sind vielmehr belustigend, so wie er sich im Spiegel betrachtet oder seine Gipsstatue bestaunt, die in Kürze die Ehrengalerie des Burgtheaters zieren soll, und die Walter für seine Messerwurfübungen benutzt.
Besonders an diesem Film ist das Schwimmen zwischen den Welten. Die Story ist zwar fiktional, der erfolgreiche Burgtheaterschauspieler Philipp Hochmair und der ehemalige Zirkusartist Walter Saabel aber spielen sich selbst. Diese dokumentarischen Züge verleihen dem Film etwas Authentisches, was die Figuren in der Realität verankert und liebenswert macht, zum Beispiel, wenn Walter mit den Kindern der moldawischen Nachbarn zum Arzt geht oder durch den dreckigen Schnee des Hamburger Hafens stapft, um auf See anzuheuern. Verständlich, daß er in Locarno als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde.
Mit der Zeit nistet sich Walter nicht nur in Philipps Leben ein, sondern ergattert auch ein Platz in seinem Herzen. Am Ende wird klar, daß die beiden mehr verbindet, als sie geglaubt haben. Sie verteidigen mit ähnlich starker Vehemenz ihren Lebensentwurf und bezahlen mit der derselben Währung: Einsamkeit.
Österreich 2012, 90 min
Verleih: Peripher
Genre: Drama, Mockumentary
Darsteller: Philipp Hochmair, Walter Saabel, Vitali Leonti
Regie: Tizza Covi, Rainer Frimmel
Kinostart: 26.09.13
[ Claudia Euen ]