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Der große Crash

Die Welt als Wille und Vorstellung – oder: Kapitalisten und tote Hunde

Unter ihnen liegt nicht nur die Stadt, sondern die ganze Welt. Die ist Spekulationsmasse. Und als solche eher Wille und Vorstellung als Wirklichkeit. Wie auch diese Zahlen. Zahlen, die eigentlich genaueste Gewinne, Verluste, Kalkulationen fixieren sollen, und die in endlosen Reihen über die Bildschirme der Computer laufen. Zahlen, die indes lange schon kein Abbild der Realität mehr darstellen, sondern heimtückischer Treibsand sind.

Was zu Beginn noch keiner weiß, hoch oben in den Wolkenkratzer-Geschäftsräumen einer marktführenden Investmentfirma. Keiner, bis auf Eric Dale. Der Top-Risk-Analyst nämlich macht seinen Job gut genug, um das Unglaubliche zu erkennen: das Versacken im Treibsand. Doch Dale wird gefeuert. Im Namen der Rationalisierung. Was er entdeckte, behält er aus Rache für sich. Nur seinem Schützling Peter, einem smarten Jungtalent in der Firma, gibt er einen Wink. Einen Computerstick mit Treibsand-Zahlen.

Ein Wall-Street-Thriller, der ins Jahr 2008 führt. In jenes Jahr, als quasi über Nacht der große Lehman-Brothers-Crash die Welt erschütterte. Diesen Crash und diese Nacht schildert als Imagination höchsten Realismus’ J. C. Chandors Regiedebüt DER GROSSE CRASH: Nachdem Peter die ihm überreichten Daten durchgerechnet hat, ist ihm klar, daß seiner Firma der Untergang bevorsteht – mit weltweit desaströsen Folgen. Peter schlägt Alarm. Die ganz großen Chefs fliegen zur Krisensitzung ein. Und da lauern sie dann, in den hellen Räumen über der nächtlichen Stadt, die millionenschweren Broker und Börsenjongleure. Und DER GROSSE CRASH schaut dabei zu, wie diese Spielmacher begreifen, daß sie verspielt haben. Und doch weiß hier jeder: Dieses Spiel muß weitergehen. Es ist systemimmanent.

Was vielleicht der bitterste Aspekt in diesem Film ist, der nicht nur einen fesselnden Wirtschaftskrimi als Kammerspiel, sondern auch eine brillante Doppelanalyse liefert. Eine ökonomische und eine psychologische nämlich. DER GROSSE CRASH zeigt verständlich, ohne banal zu sein, wie dieses „Spiel“ funktioniert – und wie es sich zum Crash katapultierte. Und er zeigt, wie diese „Spieler“ funktionieren. Zeigt deren Hybris, Gier, Skrupellosigkeit und Einsamkeit. Im fahlen Morgenlicht bricht da ein kaputter Firmen-Grande in Tränen aus. Es gilt, einen Verlust zu verkraften. In der Crash-Nacht zuvor starb sein geliebter Hund.

Originaltitel: MARGIN CALL

USA 2011, 110 min
FSK 6
Verleih: Koch Media

Genre: Thriller

Darsteller: Kevin Spacey, Paul Bettany, Jeremy Irons, Demi Moore, Stanley Tucci

Regie: J.C. Chandor

Kinostart: 29.09.11

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.