Böse Zungen könnten behaupten, Lasse Hallström fiele selbst nicht wirklich viel ein – oder weswegen verfilmt der Mann sonst hauptsächlich Bestseller?! Das lassen wir mal unkommentiert im Raum stehen, informieren aber, daß hier erneut ein Erfolgsroman als Vorlage diente, konkret das erste von acht Büchern um Kommissar Joona Linna. Der bekommt es kurz vor Weihnachten mit einem besonders fiesen Fall zu tun. Ein Lehrer wurde ermordet, danach dessen ganze Familie inklusive kleiner Tochter. Nur Sohn Josef hat schwerstverletzt überlebt. Linna zieht Arzt Erik Maria Bark hinzu, welcher Josef hypnotisieren und so den Tathergang rekonstruieren soll. Völlig logisch lediglich der Einstieg in ein weitaus komplexeres Puzzle aus Obsessionen und mörderischen Trieben ...
Das klingt vorerst spannend und gibt sich außerdem Mühe, atmosphärisch zu überzeugen, doch wollen sich die Teile insgesamt nicht recht fügen. Gut, positiv vermerkt sei das Spiel mit wenig Licht und viel Schatten; wenn es dunkel sein soll, ist es – im Gegensatz zu taghell ausgeleuchteten Hollywood-Thriller-Settings – das eben, bloß zerrt die übertrieben permanente Halbfinsternis irgendwann nicht ausschließlich an den Sehnerven und möchte sich zudem mit den grellen Tötungsrückblenden kaum vertragen. Ähnlich positioniert wirkt die figurentechnische Sachlage: Barks zerrüttete Ehe mengt der Geschichte zwar schon etwas emotionales Sprengstoffpotential hinzu, führt langfristig allerdings ins Leere, ebenso wie sein unablässiger Tablettenkonsum zur Bekämpfung zermürbender Schlafstörungen.
Letztlich schlittert Hallström über für ihn ungewohntes Genre-Terrain und strauchelt beim Versuch, alles richtig zu machen. Ausgegraute Abziehbilder einer verkommenen Welt sowie deren Bewohnern oder abgespannte Ermittler mit eingefallenen Wangen funktionieren vielleicht auf dem Papier; bebildert rauben sie dem Publikum jede Imagination. Hallströms Unsicherheit bezüglich des Sujets mündet schließlich gar im nahezu Albernen: Knapp zwei Stunden lang psychologischer Krimi, mutiert das aufgedröselte Geflecht am Ende zum irritierenden Action-Stunt-Gewitter. Weil’s gefühlt so sein muß?
Sollten ergo die anderen sieben Adaptionen folgen, darf man auf mehr Stringenz und Feinarbeit hoffen, vorrangig bei gewechselter Regiestuhl-Besetzung. Sonst versackt die Reihe komplett im halbgaren „Tatort“-Tief.
Originaltitel: HYPNOTISÖREN
S 2012, 122 min
FSK 16
Verleih: Prokino
Genre: Thriller, Literaturverfilmung
Darsteller: Tobias Zilliacus, Mikael Persbrandt, Lena Olin, Helena af Sandeberg, Jonatan Bökman
Regie: Lasse Hallström
Kinostart: 21.02.13
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...