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Der Junge und die Welt

Schönes, grausames Leben

Es ist eine Art Paradies auf Erden: Alles ist bunt, die Blumen blühen, Vögel und Schmetterlinge flattern durch die Luft, manchmal springt der kleine Junge so hoch, daß er auf einer Wolke landet und von oben das bunte Treiben bestaunt. Seine Augen weiten sich dabei zu zwei langen schwarzen Strichen, der viel zu große, kreisrunde Kopf wiegt im Stakkato hin und her. DER JUNGE UND DIE WELT ist ein Animationsfilm, der mit einfacher Strichzeichnung große Wirkung erzielt. Zudem setzt er auf starke Kontraste.

Die Farben in der heilen Dorfgemeinschaft, die der Regisseur in den ersten Szenen bebildert, sind so grell und klar, daß es in den Augen brennt. Der Junge wohnt mit seinen Eltern in einem kleinen, runden Haus inmitten einer herrlichen Landschaft. Doch die Idylle währt nicht lang. Der Vater zieht fort, er muß Geld in der Stadt verdienen. Daraufhin startet die Odyssee des Kindes in die abgründige Welt der Erwachsenen.

DER JUNGE UND DIE WELT ist ein künstlerisches Meisterwerk. Zum Teil werden Bilder verfremdet oder auf ihre Essenz reduziert. Manchmal sieht man nur die handelnden Personen vor einem weißen Hintergrund. Dann verschwindet die Welt hinter den Menschen. Der brasilianische Regisseur Alê Abreu spielt gekonnt mit Realität und Imagination. Nicht immer ist klar, was nun tatsächlich passiert, oder was sich nur in den Träumen des kleinen Jungen abspielt. Das ist ein Fest für alle Sinne, hin und wieder fällt es aber dadurch etwas schwer, dem Geschehen zu folgen, auch weil der Film fast gänzlich ohne Dialoge auskommt.

Als sich der Junge aufmacht, um seinen Vater zu suchen, findet er etwas vor, das nichts mehr mit dem zu tun hat, was er unter dem Begriff „Heimat“ kennengelernt hat. Da werden Menschen auf Baumwollplantagen ausgebeutet, Maschinen ersetzen Arbeitskraft, Gewehrsalven töten. Um die Komplexität menschlichen Daseins zu bebildern, nutzt der Filmemacher verschiedene künstlerische Ausdrucksformen: von der Ölfarbe bis zum Kugelschreiber über Collagen hin zu ganz realen Bildern. Alle Dekors und Animationen hat Abreu selbst gezeichnet. Um das Werk letztendlich fertigzustellen, haben 150 Künstler und Techniker fünf Jahre lang mitgearbeitet.

Das Ergebnis ist ein bildgewaltiger Abgesang auf die zivilisatorischen Errungenschaften der Menschheit und trotzdem wahnsinnig schön anzusehen.

Originaltitel: O MENINO E O MUNDO

Brasilien 2013, 80 min
FSK 0
Verleih: Grandfilm

Genre: Animation, Drama

Regie: Alê Abreu

Kinostart: 07.01.16

[ Claudia Euen ]