D/CH/F 2014, 93 min
FSK 12
Verleih: Farbfilm

Genre: Tragikomödie, Roadmovie

Darsteller: Mario Adorf, Katharina Derr, Hannelore Elsner

Regie: Pierre-Henry Salfati

Kinostart: 08.05.14

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Der letzte Mentsch

… auf seiner vorletzten Reise

„Du hast ja noch Dein Grab, um Dich drin zu freuen“, sang Georg Kreisler allen vom Leben Enttäuschten grimmig-beruhigend ins Stammbuch. Ach, er hatte ja keine Ahnung – wenigstens nicht von jüdischen Friedhofsverwaltungen, die ihren zukünftigen Dauergästen nur nach umfänglicher Prüfung die Zugangsberechtigung erteilen. So wird der fast 90jährige Marcus Schwartz in der Kölner Synagoge vorerst abgewiesen. Denn mit einer tätowierten Nummer auf dem Unterarm könne ja jeder kommen.

So beginnt die Geschichte der Rekonstruktion einer jüdischen Identität, die über die Jahre und Filme zum großen treibenden Thema des Autors und Regisseurs Pierre-Henry Salfati wurde. Er schickt den alten Herrn auf die Suche nach seinem früheren Ich Menahem Teitelbaum, nach Zeugen und Beweisen für sein Jüdisch-Sein ins ungarische Vác – und also mitten hinein in das Paradoxe einer einstmals überlebenswichtigen Selbstverleugnung, die ihm nun ein würdevolles Begräbnis zu vergällen droht. Und Salfati stellt seinem betagten Identitätssucher mit der jungen Deutschtürkin Gül eine Reisebegleiterin an die Seite, die dem melancholisch-besinnlichen Ton dieses Roadmovies nicht nur etwas die Schwere nimmt, sondern ihm auch eine weitere Reflexionsebene erschließt.

Auf dem Weg begegnen sie einer alten Hotelbesitzerin, die sich an nichts, an keine Gestapo und an keinen Verrat, erinnern will, aber doch großzügig die Übernachtungskosten übernimmt. Sie treffen auf die blinde Ethel, die über das viele Erinnern ein bißchen verrückt geworden ist, und auf den Schrotthändler Mikos, der wohl schon immer ein reichlich verrückter Kerl war. Eigentlich aber begegnen sie dem wohl rätselhaftesten aller Unbekannten, nämlich sich selbst.

Mario Adorf und Katharina Derr geben die ungleiche Reisegemeinschaft als durchaus unwuchtiges, manchmal sympathisch-rotziges Zwei-Personen-Stück, in dem einer zum Stichwortgeber des anderen wird – leider mit sehr vorhersehbaren Pointen. Und Vorhersehbarkeit ist tatsächlich einer der Pferdefüße, mit denen dieser eigentlich klein und fein gedachte Film wider das Vergessen ins Ziel trabt. Der zweite ist der etwas betulich-onkelhafte Erzählrhythmus, der dritte die allgemeine Durchsichtigkeit der dramaturgischen Konstruktion. Aber Salfatis Sinn für das Existenzialistisch-Absurde, also das grundlegende Bauprinzip des jüdischen Witzes – den muß man mögen.

[ Sylvia Görke ]