Er kann es immer noch! Aki Kaurismäki, das große melancholische Rauhbein, der ewig kratzkehlige Barde schräg-schroffer Nordlichtballaden, kehrt nach zu langer Absenz auf das Terrain zurück, auf dem er wie kein zweiter zu Hause ist: das Erzählen kauziger, zutiefst menschlicher, wodkaschwerer, ergreifender und dabei dennoch hoffnungsschimmernder Alltagsabsurditäten.
Ein Mann wurde überfallen, ausgeraubt, beinahe totgeschlagen. Im Krankenhaus wacht er schließlich nach langem Koma auf, schält sich die Verbände vom Körper, verläßt die Klinik, findet sich an einem heruntergekommenen Hafen wieder und weiß vor allem eins: daß er nichts weiß. Weder wer er ist, woher er kommt, wohin er soll. Doch er - so sind die Finnen - verkriecht sich nicht in lähmende Grübelei, sondern beginnt von Vorne. Er sucht sich eine Bleibe, die er schließlich in einem rostigen Container findet, sucht Arbeit, pflanzt Gemüse an und lebt ein neues Leben, das von einem früheren nichts weiß. Eines Tages trifft er auf Irma, eine Frau, die sich mit Leib und Seele der Heilsarmee verschrieben hat. Die ersten Begegnungen changieren zwischen entrückter Ablehnung, kindlicher Neugier und unachtsamen Grobheiten. Bis er Irma eines Tages in seinen Container einlädt und für sie kocht. Zwar ein bescheidenes und versalzenes Mahl, aber auch ein schicksalhaftes ...
Kaurismäki, der mit seinen Filmen ja niemals so etwas wie Geschwätzigkeit an den Tag legte, hat allerdings in diesem wunderbaren Reigen schräger Emotionen die Sprache der Menschen entdeckt. Eine teils sehr rohe, stets skurrile, aber immerhin verbindende Sprache. Mit ihr wird derart liebevoll von bizarren Charakteren, aberwitzigen Situationen und hemmungslos menschlichen Empfindungen erzählt, daß es einem warm und schwer zugleich ums Herz wird. Da gibt es keine albernen Eitelkeiten und keine peinliche Etikette. In Kaurismäkis sanfter Ballade geht es um das Echte. Es geht um jetzt und heute, weil es ein Morgen geben muß. Da wird nichts durch sentimentale Gefühlswabbelei verschleiert.
Im Prinzip geht es nur darum, eine gute und glückliche Zeit zu haben. So etwas sollte man nicht hinterfragen. Aki Kaurismäkis Film ist einer seiner besten, ein Meilenstein im europäischen Kino sowieso. Einfach brillant!
Originaltitel: MIES VAILLA MENNEISYYTTÄ
Finnland 2002, 97 min
FSK 12
Verleih: Pandora
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Markku Peltola, Kati Outinen, Juhani Niemelä
Regie: Aki Kaurismäki
Kinostart: 14.11.02
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.