Originaltitel: LA FINE FLEUR

F 2021, 96 min
FSK 6
Verleih: Neue Visionen

Genre: Tragikomödie, Poesie

Darsteller: Catherine Frot, Melan Omerta, Fatsah Bouyahmed, Olivia Côte, Marie Petiot

Regie: Pierre Pinaud

Kinostart: 09.09.21

3 Bewertungen

Der Rosengarten von Madame Vernet

Was sagst Du, Stiefmütterchen?!

Da paßt was nicht zusammen: Eve mag ja (fast) heißen wie die erste Frau, benimmt sich aber eher letzter-Mensch-mäßig. Rüde, mieser Laune, bei oft gegebenem Bedarf rücksichtslos schreitet – und rast – die Rosenzüchterin umher, stets verfolgt von Geldsorgen, denen sie bislang zwar höchst knapp einigermaßen entkommen konnte, doch die Biester holen auf. Ein Erfolg sollte dringend her, eine preisgekrönte Schöpfung! Bald wird Eve ihr Geschäft und damit sich selbst an einen schmierigen Konzerntycoon verkaufen müssen.

Oder nicht? Über ein Resozialisierungsprogramm gelangt Eve gratis an drei sonst unbezahlbare Mitarbeiter, welche mangelnde Kenntnisse durch hohe Motivation kompensieren. Okay, vielleicht abgesehen vom jungen Kleinkriminellen Fred; sein Spontanurteil gleicht totaler Auslöschung: „Hier stinkt’s nach alter Frau!“ Was allerdings jeder nachfühlt, den je auf einer Langstreckenzugfahrt das atemraubend wabernde Rosenparfüm der netten Oma im Dunstkreis zur Platzflucht bewegte.

Jedenfalls: Da Catherine Frot jene Eve wortwörtlich verkörpert (ihr Hüftschwung erinnert manchmal an Hollywoods Golden Age), würde man indes alle aromatischen Attacken verzeihen, ebenso das verschenkte Potential, zu kurze humoristische Höhepunkte genüßlicher auszuspielen – etwa dann, wenn die wild Entschlossene den Konkurrenzbetrieb ausspioniert, in Jane-Bond-Manier mit präparierter Sonnenbrille Fotos knipst, im Rahmen des anschließenden Diebstahl einer sorgsam unter Verschluß gehaltenen Blüte als humaner Stromleiter dient.

Es ist ergo weder ein überaus witziger noch – angesichts der Überraschungen größeren Stils weitgehend vermeidenden Erzählart – origineller, dafür rundum schöner Film entstanden, in dessen Zentrum sich angenehme Luftigkeit und bittere Biographietupfen vereinen. Eve hat es nie gelernt, eigene Duftmarken zu setzen, einfach die ihres Vaters übernommen, Fred kämpft auf verlorenem Posten um elterliche Akzeptanz. Woraus eine zarte, angemessen vorsichtig und fragil inszenierte Quasi-Mutter-Sohn-Liebesgeschichte erwächst, die zum beidseitigen Rettungsanker gerät, parallel verborgene Talente freischaufelt, abgestorbene Emotionen reanimiert und Existenzen sichert. Schließlich läßt Eve statt vieler Worte Blumen sprechen. Schon kräftig ans Gemüt greifend, wie beredt so ein ziemlich unscheinbares Stiefmütterchen sein kann …

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...