Dean Reed war ein schillernder Charakter - ein amerikanischer Sonnyboy, der als Schauspieler und Schnulzensänger die Herzen der Mädchen brach und gleichzeitig ein glühender Sozialist, der Salvador Allende und Yassir Arafat unterstützte. Er war in der Lage, in einem Atemzug vom Liebeslied auf Weltrevolution umzuschalten und wurde für diese Fähigkeit nicht nur von seinen Fans, sondern auch von den politischen Führern sehr geschätzt. Sie alle wußten um die Symbolkraft des gutaussehenden Amerikaners, der sich für die sozialistische Sache stark machte. Seine Begeisterung ging so weit, daß er 1972 in die DDR übersiedelte, dort heiratete und sich ein neues Leben aufbaute.
Für die politische Führung der DDR war Reeds Sprung über den Eisernen Vorhang ein Hauptgewinn. Er führte ein Leben voller Privilegien, reiste weiterhin durch die Welt und durfte sich als Schauspieler und Sänger seine Projekte aussuchen. Blind für die Diskrepanz zwischen seinem Leben und dem der restlichen Bevölkerung ließ sich Reed vor den Karren der SED spannen und wurde zur perfekten Projektionsfläche, zum idealen Sozialisten. Erst als seine Popularität - und damit auch das Interesse der SED - nachließ, wurde sein Blick auf die DDR kritischer. Anfang der 80er Jahre dachte er sogar über eine Rückkehr in die USA nach, mußte jedoch realisieren, daß er sich diesen Weg durch sein politisches Engagement verbaut hatte. In der DDR wurde ihm wiederum sein Ruf als "roter Elvis" zum Verhängnis, eine Weiterentwicklung schien unmöglich. Im Sommer 1986 kam der Sänger bei einem Unfall ums Leben, die Umstände sind bis heute nicht ganz geklärt.
Leopold Grün arbeitete fünf Jahre lang an seinem Dokumentarfilm, trug Archivmaterialien zusammen und fand (u.a. in Armin Müller-Stahl) kompetente und reflektierte Interviewpartner. Zweifellos wirkt Dean Reeds revolutionärer Idealismus gerade in der Rückschau leicht naiv, und an mancher Stelle läßt die Diskrepanz zwischen den großen politischen Bühnen-Posen und der fehlenden Konsequenz im Privatleben auch den Opportunisten erahnen, der ebenso Teil von Reeds Persönlichkeit war.
Aber gerade dieses Schillern, diese Unentschiedenheit in der historischen Einordnung ist es, die den Film sehenswert machen.
D 2007, 90 min
Verleih: Neue Visionen
Genre: Dokumentation, Biographie, Musik
Darsteller: Chucho Fernandez, Isabel Allende, Peter Boyles, Armin Mueller-Stahl, Celino Bleiweiß, Egon Krenz, Wiebke Reed, Günther Reisch, Maren Zeidler
Regie: Leopold Grün
Kinostart: 02.08.07
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.