I/D/Österreich 2018, 84 min
Verleih: Real Fiction
Genre: Dokumentation, Schicksal
Regie: Andreas Pichler
Kinostart: 07.06.18
Solidarität ist ein Wort, das gern in Sonntagsreden beschworen wird, im (politischen) Alltag jedoch oft unter die Räder kommt. Den sozial Schwächsten wird von vielen Seiten Faulheit und mangelnder Wille unterstellt, im Grunde seien sie selbst schuld an ihrer Misere. Gegenüber solchen weit verbreiteten Auffassungen bietet die Dokumentation DER SECHSTE KONTINENT ein wohltuendes Gegengift. Der Südtiroler Filmemacher Andreas Pichler begleitet Bewohner und Mitarbeiter des „Hauses der Solidarität“ in Brixen in ihrem oft schwierigen Alltag.
In diesem ungewöhnlichen Projekt leben etwa 50 Menschen unterschiedlicher Herkunft und Nationalität zeitweise in einem Haus zusammen. Sie alle sind in irgendeiner Form aus der Bahn geworfen worden: Obdachlose, Arbeitslose, Flüchtlinge, Süchtige, Frauen, denen Gewalt angetan worden ist, Leute, die im Gefängnis saßen … Vier Festangestellte und etliche Freiwillige helfen ihnen dabei, wieder Fuß zu fassen. Manchen gelingt der Weg zurück in ein eigenständiges Leben, andere werden bis ans Ende ihrer Tage auf Hilfe angewiesen sein. Jeder Hausbewohner hat Rechte und Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, zum Beispiel Putz- oder Kochdienste. Bevormundet wird niemand, zuhören ist wichtiger als urteilen. Damit zeigt das „Haus der Solidarität“ im Kleinen, wie Gesellschaft im Großen bestenfalls funktionieren könnte, wenn es um andere Dinge als die Maximierung des eigenen Wohles ginge.
Trotz allen Idealismus’ handelt es sich um ein Projekt mit Bodenhaftung, das übrigens weitgehend ohne öffentliche Fördermittel auskommt. Der Regisseur blendet die Konflikte nicht aus, die in einer solchen Notgemeinschaft entstehen. Das „Haus der Solidarität“ ist keine Multi-Kulti-Idylle. Um die unterschiedlichen Befindlichkeiten miteinander auszutarieren, bedarf es viel Fingerspitzengefühls und großer Offenheit. Das gelingt nicht immer. Kein Wunder, ist es doch oftmals schon schwer genug ist, in der eigenen Familie oder der Nachbarschaft gut miteinander auszukommen.
So bleibt besonders die Aussage eines Mitarbeiters hängen, er habe durch seine Arbeit den „Wert einer halbwegs intakten Beziehung, einer halbwegs intakten Familie“ erst wirklich schätzen gelernt. Niemand, wirklich niemand ist davor gefeit, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Wohl, wenn dann jemand da ist, der einem hilft, wieder auf die Beine zu kommen.
[ Dörthe Gromes ]