Bei dieser Konstellation hätte es ein packendes Justizdrama werden können: Ein junger Anwalt aus Serbien wird in das Verteidigerteam von Radovan Karadžić berufen, der sich als ehemaliger Präsident der bosnischen Teilrepublik Srpska vor dem Internationalen Strafgerichtshof für Jugoslawien in Den Haag verantworten muß. Karadžić werden Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.
Der aufstrebende Anwalt Marko Sladojević protestierte einst selbst gegen das Regierungssystem des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević und verließ schließlich aus Frust über die Verhältnisse sein Land, um in den Niederlanden zu studieren. Seit er Karadžić verteidigt, wird Sladojević oft mit der Frage konfrontiert, wie er denn einen Kriegsverbrecher verteidigen könne, und ob er wirklich an dessen Unschuld glaube. Doch Sladojević betrachtet diesen hochkomplexen Fall mit professioneller Distanz. Für ihn bedeutet diese Arbeit nicht zuletzt einen großen Karrieresprung.
DER SERBISCHE ANWALT begleitet den jungen Mann bei seiner Arbeit, zeigt ihn bei Zeugenvernehmungen in den Niederlanden und in Bosnien, bei Diskussionen mit seinen slowenischen Schwiegereltern, mit Freunden und bei Autofahrten von einem Termin zum nächsten. Karadžić selbst gibt kein Interview, auch durfte augenscheinlich nicht im Gerichtssaal gedreht werden. Dadurch lastet der ganze Film auf den Schultern nur eines Protagonisten, der jedoch trotz der ständigen Kamerabegleitung farblos bleibt. Ein sehr reflektierter Mann, der kluge Sätze spricht, aber kaum Leidenschaft ausstrahlt. Auch liegt es in der Natur der Sache, daß das sorgfältige Studium von Akten wenig cineastisches Material bietet.
Es gelingt Regisseur und Drehbuchautor Aleksandar Nikolic nicht, diese trockene Materie in packende Bilder zu übersetzen. Noch schwerer wiegt, daß er dem Zuschauer die politischen und historischen Hintergründe des Karadžić-Prozesses nicht vermittelt. Die Gemengelage ist unübersichtlich und läßt sich nur unzureichend über zwischendurch eingeblendete Infoschnipsel darstellen.
Am stärksten ist der Film dann, wenn deutlich wird, wie schwer, wenn nicht unmöglich, es ist, eine objektive Wahrheit über das damalige Geschehen herauszufinden. Sie wird unsichtbar in hunderten Aktenmetern und tausenden Zeugenvernehmungen. Auch Marko Sladojević beginnt zunehmend, an seinem Tun zu zweifeln. Das Einzige, woran kein Zweifel besteht, ist der brennende Schmerz der Hinterbliebenen über den Verlust ihrer Lieben.
D/Serbien/GB/Niederlande 2014, 82 min
FSK 16
Verleih: Barnsteiner
Genre: Dokumentation, Polit
Regie: Aleksandar Nikolic
Kinostart: 14.01.16
[ Dörthe Gromes ]