D 2015, 105 min
FSK 12
Verleih: Alamode
Genre: Drama, Historie, Biographie
Darsteller: Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld, Lilith Stangenberg, Jörg Schüttauf, Sebastian Blomberg
Regie: Lars Kraume
Kinostart: 01.10.15
Es scheint, als habe die schwerfällige Selbstreflexion des frühen Nachkriegsdeutschlands derzeit eine späte Renaissance. Im vergangenen Jahr kam IM LABYRINTH DES SCHWEIGENS in die Kinos. Ein eindringlicher Film über einen jener jungen Anwälte, die 1961 die Frankfurter Auschwitzprozesse ins Rollen brachten und begleiteten. Preisgekrönt und viermal für den Deutschen Filmpreis nominiert, geht der Film als deutscher Kandidat für eine OSCAR-Nominierung ins Rennen. Zu Recht. Zeigt er doch, wie schwer es den Deutschen fiel, sich der eigenen Geschichte zu stellen.
Regisseur Lars Kraume geht nun noch einen Schritt zurück. In DER STAAT GEGEN FRTZ BAUER hebt er jene Figur in den Mittelpunkt, die die Vergangenheitsaufarbeitung überhaupt erst möglich machte: den Anwalt Fritz Bauer. Selbst im Konzentrationslager inhaftiert, floh er noch Mitte der 30er Jahre ins skandinavische Exil. Nach Kriegsende kehrte er zurück, wurde Generalstaatsanwalt in Frankfurt am Main, um an einem neuen Rechtsstaat zu feilen. Doch die Überreste des Krieges und der Nazi-Ideologie schwelen weiter in der Bevölkerung. Postkarten mit Hakenkreuzen, eingeschmissene Fensterscheiben – als jüdisch geborener Verantwortungsträger und frühes SPD-Mitglied hat Bauer mehr Feinde als Freunde im System. Zudem will er niemand Geringeres als Adolf Eichmann, einen der größten Verbrecher des Dritten Reiches, vor ein deutsches Gericht stellen.
Maulfaule Mitarbeiter, verschwundene Akten und ehemalige Nazigrößen, die wieder als Juristen arbeiten und sich keineswegs – so wie Bauer – für eine menschenwürdigere, demokratische Zukunft engagieren, hindern ihn daran. Nur der junge Anwalt Karl Angermann steht im zur Seite. Auch er krankt an der Verlogenheit und der Moral dieses Landes.
DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER ist eine feine Persönlichkeitsstudie über einen Mann, der sich auf seinem Weg zu mehr Gerechtigkeit kaum beirren ließ. Burghart Klaußner spielt Bauer glaubhaft. Mit schwäbischem Akzent, rauchiger Stimme und ungelenkem Verhalten verkörpert er jenen eigenwilligen alten Mann, der es mit einem ganzen Gesetzesapparat aufnahm und nur deshalb die Geschichte dieses Landes mitschreiben konnte. Bauer gehört bis heute zu den großen Helden der Nachkriegsära. Dieser Film nun ist Beweismittel und Filmkunst gleichzeitig.
[ Claudia Euen ]