Originaltitel: AMEN
F/D 2002, 130 min
Verleih: Concorde
Genre: Literaturverfilmung, Polit, Drama
Darsteller: Ulrich Tukur, Mathieu Kassovitz, Ulrich Mühe, Friedrich von Thun, Hanns Zischler, Susanne Lothar
Regie: Constantin Costa-Gavras
Kinostart: 30.05.02
Erwin Piscator, der 1963 in Berlin bei der Uraufführung von Hochhuths Drama "Der Stellvertreter" Regie führte, bejubelte das Erstlingswerk als einen der wesentlichen Beiträge zur Bewältigung der Vergangenheit, als ein "totales" Stück für ein "totales" Theater - dokumentarisch, episch, wissenschaftlich, als fundierte Anklage unverzichtbar, in seinem Umfang schwer zu bändigen. Was die Dimensionen einer Bühne zu sprengen droht, überführt nun Constantin Costa-Gavras in sein Medium, den Film, das verspricht, dieses übervolle Drama einer monströsen Feigheit mit seinem zahlreichen Material aufnehmen, neu strukturieren zu können.
Im Zentrum stehen zwei, die ihren gut geölten Systemen entgegentreten: der SS-Offizier Kurt Gerstein und der römische Jesuit Riccardo. Der getaufte Christ Gerstein erstickt am Wissen um den Völkermord an den Juden Europas, kennt die Toten-Statistiken, Auschwitz, Treblinka, die Gaskammern. Er will, daß die schrecklichen Informationen den Papst erreichen, ihn handeln, ihn laut protestieren lassen. Doch der Stellvertreter Gottes auf Erden und die Stellvertreter des Stellvertreters wissen bereits und können doch nicht und vor allem dürfen sie nicht aber beten und hoffen. Riccardo, der Gerstein in Berlin kennenlernt, versucht aufzurütteln - vergebens. Gerstein wird im Verborgenen weiter sabotieren. Riccardo wird sich einen Judenstern an die Sutane heften und in Auschwitz sterben. Die Geschichte muß Wut erzeugen, gerade weil sie wahr ist - für Gerstein historisch verbürgt, in der Figur des jungen Katholiken stellvertretend für andere verdichtet.
Doch Costa-Gavras erliegt in seinem nicht immer gelungenen Wechsel zwischen Nähe zur Vorlage und - sicher notwendiger - Paraphrasierung der Versuchung, höher zu heben, was bei Hochhuth schon zum Typus stilisiert ist, Motivationen zu verdeutlichen, wo das Stück nacktes menschliches Berührtsein genügen läßt. Ein wenig verliebt in seinen eigenen, anklagenden Aufschrei, dämpft er die Wut mit Bildern wie dem der Priesterkleidung, derer man den Toten ohnehin beraubt wußte. Zu schön, zu elegisch die Opfer inmitten einer Holzarmee aus zynischen Verbrecherfressen und salbungsvollen Popenfratzen.
[ Sylvia Görke ]