D 2013, 230 min
FSK 6
Verleih: Concorde

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Jan Dieter Schneider, Antonia Bill, Marita Breuer

Regie: Edgar Reitz

Kinostart: 03.10.13

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Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht

Magischer Realismus nach Hunsrücker Art

Als Epilog vorweg: Der neue Film von Edgar Reitz ist ein Muß für alle Fans der berühmten HEIMAT-Trilogie, ein Wiedersehen mit dem fiktiven Dorf Schabbach im Hunsrück, das Reitz in über 55 Filmstunden bereits durch das 20. Jahrhundert verfolgte. Doch diesmal spinnt sich die Geschichte nicht in Richtung Gegenwart fort, sondern in die Vergangenheit. Ein Zeitsprung führt zurück ins Jahr 1843, also in die Vormärzzeit, als Hungersnöte und Willkürherrschaft die Menschen zur Auswanderung bewogen. Diese neuen Koordinaten sollten auch HEIMAT-„Ungeübte“ ermutigen, die Reise anzutreten.

Eine klassische Brüder-Geschichte steht im Zentrum. Jakob ist der Taugenichts der Schmiedefamilie mit romantischen Anleihen (Eichendorff läßt grüßen). Als Erster in der Sippe hat er lesen gelernt. Der Bildungshunger treibt ihn an, sich der Mode der Zeit entsprechend mit dem exotischen Brasilien und den Bräuchen der Indianer zu beschäftigen. Brasilien ist das Traumland für tausende Auswanderer, die immer wieder mit großen Wagenkolonnen am Horizont vorüberziehen. Der große Bruder Gustav ist der Praktische, ganz Vaters Sohn. Zwischen ihnen das lebenshungrige Jettchen – eine Dreiecksgeschichte also. Reitz läßt sich Zeit, die Protagonisten in ihrem spezifischen Umfeld zu lokalisieren, bevor er den freiheitsliebenden Jakob in den Kerker schickt und das Jettchen in die Arme von Gustav. Doch auch jetzt vermeidet er das Drama nach dem Handbuch.

Gott sei Dank – das darf sich wohl in vier Stunden Länge und in Schwarz-Weiß nur Reitz erlauben. Sein Team hat ein Hunsrück-Dorf in eine historische Fassade gekleidet. Die Kostüme und Requisiten sind meist original. Größere historische Genauigkeit kann man kaum erlangen. Und doch ist es kein klassischer Ausstattungsfilm und absolut kein Naturalismus – trotz Hunsrücker Dialekt. Der Realismus versteht sich als Überhöhung der Wirklichkeit, bisweilen kratzt er das Magische. Etwa, wenn – wie durch Jakobs Gedanken ausgelöst – zwei Pferde durchgehen. Das Magische erscheint aber auch in den opulenten Naturbildern und im punktuellen Einsatz von Farbtönen. Alles kreist letztendlich um den Abschied, den Menschen voneinander nehmen müssen.

Der Tod war in diesen Zeiten eben besonders präsent. Ebenso das Auswandererthema, das genau zur richtigen Zeit kommt. Daß in anderen Jahrhunderten auch Deutsche scharenweise ihr Glück in der Fremde suchten, haben wir ja anscheinend schon vergessen.

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...