Es klingelt am Morgen. Als Sonni durch den Türspion ihrer Wohnungstür sieht, zuckt sie kurz zusammen. Unverhofft kommt nicht oft. Sonni ist vor Jahren nach Berlin gezogen, genau wie ihre älteren Geschwister Arnolt und Karla. Raus aus der Provinz, 100 Kilometer bis zum eigenen Weg, den die drei dann doch noch nicht gefunden haben – kurz vor, kurz nach der als ominös beschriebenen Schwelle zur 30. Und jetzt steht auch noch Vater Jakob vor der Tür.
Er ist einfach losgegangen in der Frühe, raus aus dem Einfamilienhaus mit verstelltem Blick auf Chemiefabriken, rein in den Zug. Es ist Sommer, der Anzug, den er anhat, beult gewaltig, den Schirm braucht er vielleicht. Kein Wunder, daß Jakobs Kinder – eins nach dem anderen – ahnen, daß etwas im Busche ist, obwohl Vater zunächst so tut, als hätte er einfach Sehnsucht. Mit Sonni geht er was Hübsches kaufen, bei Arnolt und seiner Freundin Katharina gibt es Frühstück, Karla empfängt ihn etwas schnippisch in ihrer Gärtnerei. Ob sie am Abend käme, fragt der Vater die große Tochter. Ihre Freude hält sich in Grenzen. Spätestens hier wird klar, daß Vergangenheit und Gegenwart auch in dieser Familie Tücken haben und hatten. Was Jakob nicht ahnen kann: Auch seine Ehefrau wird am Tisch sitzen, chauffiert hat sie ihr Liebhaber aus dem Ort.
Formal entwirft Constanze Knoche eine französisch anmutende Konstellation. DIE BESUCHER (nicht zu verwechseln mit Jean-Marie Poirés gleichnamiger Fantasykomödie von 1993) wird zum Sprechfilm. Fast ausschließlich findet die von weitgehend unverbrauchten Filmgesichtern getragene Handlung in Räumen statt. Nur ein einziger, wenn auch entscheidender Ortswechsel steht an. Das Gute: Die Regisseurin umschifft mit viel Glück die Fallen der allzu schnöden Vorhersehbarkeit. Das Schlechte: Sie vertraut darauf erst, nachdem sie dem Gerüst ihrer Story unvermeidliche Schrauben verpaßt hat. Der Sohn, der sein Studium längst geschmissen hat, die Tochter mit dem Techtelmechtel zu ihrem Prof, die Große, die „was Handfestes“ macht, der Vater mit der Ex-Karriere als Chemieingenieur (und dem Spruch: „Das ganze Leben ist Chemie“), die Mutter auf Sinnsuche für Teil Zwei im Leben.
Über seine nüchterne TV-Optik hinweg offenbart DIE BESUCHER sein Potential vor allem im spielerischen Miteinander der Geschwister. Ja, genau, das ist es: Etwas Humor hätte dem Ganzen vielleicht gestanden.
D 2012, 92 min
FSK 6
Verleih: Basis
Genre: Drama
Darsteller: Uwe Kockisch, Corinna Kirchhoff, Anjorka Strechel, Anne Müller, Jakob Diehl, Irina Potapenko
Regie: Constanze Knoche
Kinostart: 14.02.13
[ Andreas Körner ]