Originaltitel: DARKEST HOUR
GB 2017, 125 min
FSK 6
Verleih: Universal
Genre: Drama, Biographie
Darsteller: Gary Oldman, Kristin Scott Thomas, Ben Mendelsohn, Lily James
Regie: Joe Wright
Kinostart: 18.01.18
Eine gute Rede solle das Thema erschöpfen, nicht die Zuschauer. So brachte es mal Winston Churchill in der ihm eigenen trocken-witzigen Art auf den Punkt. Wobei der Satz nur einer von vielen ist, für die dieser Mann ungefähr so berühmt ist wie für sein markantes Erscheinungsbild – und seine rigorose Haltung wider die Appeasement-Politik mit Hitler-Deutschland. Eine Haltung, die selbst noch im Mai 1940 auf der britischen Insel alles andere als Konsens war. Schließlich errangen in Kontinentaleuropa die Nazis einen Sieg nach dem anderen, die Option eines Friedenspaktes mit Hitler fiel also unter das, was gemeinhin „Realpolitik“ genannt wird.
Obiger Satz nun, er gehört zu jenen, die nicht in Joe Wrights fesselndem Churchill-Porträt DIE DUNKELSTE STUNDE zu hören sind. Dafür gibt es viele andere, und jeder ist ein Fest. Zelebriert dieser Film doch zuallererst einmal eine Lust an der Sprache, an kernigen Parlamentsreden wie an geschliffenen Dialogen, ob deren rhetorischer Qualität hier allein schon ein Kinobesuch lohnt. Klar: OmU-Fassung ...
Nun ist ein Film natürlich kein Hörspiel. Was DIE DUNKELSTE STUNDE gottlob keinen Moment vergißt. In der Erzählhaltung irgendwo zwischen Psychogramm und Kammerspiel changierend, inszeniert Wright diese Geschichte mit den Mitteln gediegener Kino-Opulenz in klassischer Manier. Und das in jenem Gleichmaß, in dem auch die melodramatischen Zuspitzungen, die Nuancen des Sentiments, die großen, emotionalen Momente souverän Platz haben, ohne übers Ziel hinauszuschießen.
Okay: Was Letzteres angeht, da gibt es diese eine Szene, in der plötzlich kitschelnder Gestus und Tonfall eines patriotischen Erbauungsstücks umgehen. Das kann man nervend finden, klar. Aber zum einen ist diese Szene die Ausnahme von der Regel. Ganz davon abgesehen, daß ein hinreißender Gary Oldman in seiner Rolle als Churchill auch das souverän zu meistern versteht. Zum anderen ist diese Szene vielleicht aber auch deshalb hinzunehmen, weil sie etwas zu verdichten versucht. Die Frage nämlich, was „die Gesellschaft“ zu opfern bereit ist für ihre Freiheit. Und das heißt hier, welchen Blutzoll man bereit zu zahlen ist, im Kampf gegen die Barbarei. Durchaus ein Thema dieses Films. Nicht, daß der das erschöpfend darstellen würde. Wie auch? Einen zu erschöpfen, ist schließlich das Privileg schlechten Kinos und schlechter Reden. Von beidem ist DIE DUNKELSTE STUNDE weit entfernt.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.