So muß man sich im Leben begegnen: in der Schlange vorm Kino! Wie unsere beiden Helden in dieser Uwe-Timm-Verfilmung. Gezeigt wird einer der Willy-Forst-Schinken, ein Durchhaltefilm im kurz vorm Kriegsende stehenden Hamburg. Die bewegten Bilder sind ohnehin schnell egal, denn hier schauen sich Lena und Hermann in die Augen. Sie, die knapp 50jährige, die auf das Überleben ihres Soldatensohns hofft, die nur selten in Richtung Ostfront an ihren Mann denkt, und er, der junge, gutaussehende Soldat, der einfach Angst vor dem Endkampf hat und deswegen mit Lena bald aufs Überleben trinkt und der ersten Nacht neben der schönen stolzen Frau ganz viele folgen läßt.
Lena, die Göttin einer Werkskantine, erblüht aufs Neue, sie zwackt ab, was die Küche hergibt, päppelt den potenten Deserteur auf, verschweigt ein paar Details und entdeckt bald, daß der schöne Typ ihr seine Geheimnisse auch nicht gerade brühwarm serviert. Frau und Kind wurden also verheimlicht. Remis könnte man sagen, doch Lena will für länger begehrt werden. Endlich passiert wieder etwas in ihrem Leben, also versteckt sie vor dem ängstlich hinter Gardinen auf die Straße lugenden Hermann aktuelle Tageszeitungen, die Goebbelsschnauze ist auch plötzlich defekt, Lena dämonisiert den neugierigen Hausmeister, der in der Tat gern durchs Schlüsselloch fremder Wohnungen schaut. Und warum das Ganze? Der Führer ist tot, der Krieg längst vorbei, Hermann könnte also vogelfrei sein - und Lena wäre wieder allein ...
Das hätte durchaus eines dieser staubigen, betulichen Kammerspiele werden können, vor denen man im Kino immer warnen muß, das hätte bei allzu braver Dramaturgie verleugnen können, wie kinotauglich bereits Timms Vorlage war. All das ist nicht geschehen, ganz das Gegenteil der Fall, und das liegt an vielem. Natürlich auch an Ulla Wagners Gespür für Timing, für den in der mißlichen Historie so wohltuenden Witz, das fiebrige Lieben der Trümmer-Insulaner, die wohlgewählte Kulisse im zerbombten Hamburg, für die endlich mal nicht irgendeine klischierte Gegend im Osten des Jetztzeitdeutschland herhalten mußte. Und vor allem liegt es an der großen, zeitlos schönen Barbara Sukowa. Wie sie läuft, wie sie lacht, wie spöttisch sie schauen und darauf kindlich erstaunt sein kann, wie leicht sie sich in einer schweren Zeit kleidet, wie sie mit ihrer Alice-Schwarzer-Stimme den Raum füllt - unglaublich, daß man im deutschen Kino der letzten Jahre auf sie weitestgehend verzichten konnte. Sie gibt Lena genau das rechte Maß an Dominanz und Fragilität, die eine sich allein durchboxende Frau während und vor allem nach dem Kriege braucht.
Kurz nach Kriegsende macht Lena sich mit einem Kiosk selbständig, der Schwarzmarkt blüht, Kaffee trinkt man als Bohne oder Eiche, und dann "passiert" der tüchtigen Lena auch die titelgebende Entdeckung. Auf welchen Umweg sei hier verschwiegen ... steht aber für die Frische dieses Films.
D 2008, 106 min
Verleih: Schwarzweiß
Genre: Tragikomödie, Liebe, Literaturverfilmung
Darsteller: Barbara Sukowa, Alexander Khuon, Frederick Lau, Götz Schubert
Regie: Ulla Wagner
Kinostart: 11.09.08
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.