Originaltitel: CENTAUR
Kirgisien/NL/D/F/J 2017, 89 min
FSK 6
Verleih: Neue Visionen
Genre: Drama
Darsteller: Nuraly Tursunkojoev, Zarema Asanalieva, Aktan Arym Kubat, Taalaikan Abazova, Ilim Kalmuratov
Regie: Aktan Arym Kubat
Kinostart: 28.12.17
Heißt jemand Zentaur, liegt es irgendwie nahe, daß er das Glück dieser Erde auf dem Rücken der Pferde verortet. Und tatsächlich stiehlt der Mann nur die edelsten Tiere, reitet auf ihnen durchs Gelände und läßt sie hernach frei. Niemandem mögen sie gehören, gar dienen, selbstbestimmt existieren – zumindest, bis ihre Besitzer sie wieder einfangen.
Eine kurze Spanne des Glücks also, für Vier- und Zweibeiner gleichermaßen. Letzterer raubt sich so Augenblicke der Freiheit inmitten von Zwängen: Gatte einer nicht unbedingt glühend verehrten Frau, Vater eines verstummten Kindes, liebevoll zwar, oft allerdings erst auf Anranzen der Angetrauten. Zentaur arbeitete einst als Filmvorführer, das Kino verschwand, dazu auch seine Leidenschaft. Letztere entfachen allein die besagten kleinkriminellen Aktionen neu – und Besuche bei der schönen Witwe Sharapat.
Jene Geschichte findet in einem kirgisischen Dorf statt, mutet stellenweise fast dokumentarisch an, wenn entrückte Bilder von schmeichelnder Musik begleitet werden, man nahezu spielerisch Land und Leuten begegnet. Und sich herausfordern läßt von filmischer Sprache, die westlichen Sehgewohnheiten nicht in den althergebrachten Kram passen will. Wer zur Ansicht gebrachte Handlungen gern jederzeit ergebnisorientiert mag, sollte vorher umdenken, zu keinen konkreten Aussagen oder Ereignissen führende Szenen akzeptieren, die generelle Hektik abstreifen. Denn genau das geschieht hier: eine Erdung, Rückbesinnung auf Ruhe, schlichtes Beobachten statt komplexen Erzählens. Was nicht Banalität bedeutet, im Gegenteil, Bräuche und deren Vergehen, das sukzessive Verschwinden traditionellen Lebens, Zusammenbrechen unter der Moderne stellen deutliche, klar formulierte Themen. Bloß muß man eben kennenlernen, was da ausstirbt, sonst wäre die Trauer darum lediglich vorgeschobene Scheinheiligkeit.
All das kleidet sich ins Gewand grundsätzlicher Universalität, entfesselt parallel ein Eifersuchtsdrama und findet Worte, deren weit geöffneter Wahrheitsraum außer Frage steht: „Warum werden die Menschen so lieblos?“ An dieser Welt verzweifelt und zerbricht Zentaur, sucht bar der Chance, je zu finden. Er, ein Störenfried, reist nicht mit leichtem Gepäck, sondern buchstäblich ohne. Immer rastlos, einsam. Und final spricht der Sohn endlich das erste Wort – eigentlich Anlaß zu großer Freude. Eigentlich …
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...