Ja, sie ist sogar ein großes Abenteuer, die Liebe. Für die unzertrennlichen Schwestern von Beulwitz, Caroline und Charlotte, beginnt es, als ihnen der mittellose, aber vielversprechende Dichter Friedrich Schiller in die Arme läuft – mit ihm verbringen sie einen romantischen Sommer in Rudolstadt, wobei sie den kränklichen Galan erfolgreich von seiner Angst befreien, liebesunfähig zu sein. Zu allem entschlossen emanzipieren sie sich von ihrer Mutter, die zur Standessicherung lieber eine bessere Partie als Schiller hätte, und schmieden ohne jegliche Eifersucht einen Plan, um den Mann für sie beide zu erhalten. Die schüchterne Charlotte geht zum Erhalt ihrer Ménage-à-trois die Ehe mit Schiller ein, aber es ist Caroline, mit der er seine leidenschaftlichen Stunden verbringt. Das stellt sie über die Jahre dann doch vor eine Zerreißprobe.
Daß Schiller auch zur Schwester seiner fürsorglichen Ehefrau eine intimere Beziehung unterhielt, ist eine These der Literaturwissenschaft, die durch eine entsprechende Briefstelle und die Tatsache, daß Schiller unter Pseudonym Carolines Fortsetzungsroman „Agnes von Lilien“ in seiner Zeitschrift „Die Horen“ veröffentlichte und somit zu ihrem Mentor wurde, belegt wird. Doch wie das genau aussah, ist ein weißes Blatt, das zur Nachdichtung geradezu einlädt. Und Dominik Graf weiß bei aller biographischen Genauigkeit seines Filmes, diesen Freiraum mit Leichtigkeit zu füllen. Daß er historische Stoffe mit einem Augenzwinkern behandeln kann, hat er schon mit der DER ROTE KAKADU bewiesen, wenngleich ihm dieses DDR-Swing-Stück stellenweise in die Klamotte abglitt. Das passiert ihm mit den Schwestern nun nicht mehr.
Sein filmischer Briefroman kommt so unverkrampft und ausgewogen daher, daß man sich schon fragt, ob man hier wirklich in einem deutschen Film sitzt. Leicht denkt man ans französische Kino, etwa an François Truffauts ZWEI MÄDCHEN AUS WALES UND DIE LIEBE ZUM KONTINENT. Das Literarische wird nicht überstrapaziert, den gesellschaftlichen Bedingungen der Zeit begegnet Graf mit Witz und Freigeistigkeit. Und seine Schauspieler hat er fest im Griff, darunter die häufig schwer zu bändigende, da sehr pathosanfällige Hannah Herzsprung.
Schade ist nur, daß der Film, der in der Festivalfassung 170 Minuten Zeit zur Entfaltung hat, in einer kürzeren Fassung von 138 Minuten ins Kino kommt. Warum kürzen, was auch länger trägt? „Courage!“, möchte man da den Filmverleihern zurufen.
D/Österreich 2013, 138 min
FSK 6
Verleih: Senator
Genre: Liebe, Drama, Biographie
Darsteller: Hannah Herzsprung, Henriette Confurius, Florian Stetter, Claudia Messner, Ronald Zehrfeld
Regie: Dominik Graf
Kinostart: 31.07.14
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...