Originaltitel: THE HISTORY OF LOVE
F/Kanada 2016, 135 min
FSK 6
Verleih: Prokino
Genre: Drama, Liebe
Darsteller: Gemma Arterton, Derek Jacobi, Sophie Nélisse, Elliott Gould
Regie: Radu Mihăileanu
Kinostart: 20.07.17
US-Autorin Nicole Krauss ist eine Meisterin im Verschränken. Man sagt ihr auch nach, sie sei eine ebensolche im Verheben. Weil sie Figuren, Handlungsstränge, Aspekte und Fokussierungen mühelos mit- und ineinander verwebt, dabei über Zeiten und Orte springt, als lauerten keine Tücken bei jenen Lesern, die es eher mit Logik und Geradlinigkeit haben. Nach Erscheinen des Buches „Die Geschichte der Liebe“ mutmaßte die Netz-Plattform „literaturkritik.de“ gar: „Gäbe es einen Soundtrack, Phil Collins würde den Titelsong singen, bestimmt auch in einer zweiten, jiddischen Version.“
Nun gibt es einen Soundtrack, weil es einen Film gibt. Der ist nicht minder blumig. Mit DIE GESCHICHTE DER LIEBE widmet sich der rumänisch-stämmige Regisseur Radu Mihaileanu ein nächstes Mal dem Jüdischen, betrachtet durch einen Rückspiegel. ZUG DES LEBENS handelte direkt vom Holocaust, in DAS KONZERT kam das Jüdische eher indirekt daher. Krauss’ Roman aber lieferte dem jüdisch verwurzelten Mihaileanu eine Vorlage in des Wortes umfassender Bedeutung, weil er das Leben europäischer Juden mit Flucht und Tod genauso behandelt wie ihren Neuanfang und das Erinnern in den USA unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg – mit einem Leuchten bis ins Heute.
DIE GESCHICHTE DER LIEBE ist eine aufgeschriebene. Leo Gursky hat sie einst im polnischen Slonim zu Papier gebracht für Alma, seine große, erste und, wie sich herausstellen wird, einzige Liebe. Die schöne, kecke Alma hatte damals gleich drei junge Männer um sich geschart, die buhlen und rangeln durften, was sie auch taten. Doch das Spiel der Jugend wich bald dem nackten Ernst. Die Deutschen kamen. Wege verliefen sich so wie das Hoffen. Gegenseitig wähnte man sich eher tot als lebendig. Alma ging noch rechtzeitig nach Amerika, Leo konnte folgen. Spät. Für entscheidende Dinge zu spät.
Immer, wenn die Handlung springt, landet sie sechs Jahrzehnte später in New York, wo Leo das karge Leben eines mürrischen Mannes führt. Mit seiner ewigen Alma im Kopf, trifft er ein junges Mädchen gleichen Namens. Sie wurde von ihren Eltern nach der Figur in einem Buch benannt, einer „Geschichte der Liebe.“ Leos Geschichte?
Ein Film sucht seinen Ton. Mit großen Worten, großen Gesten und großen Bildern. Wenn er ihn findet, selten genug, kann er die Seele erreichen. Wenn nicht, ist DIE GESCHICHTE DER LIEBE wie sein Titel: einen Zacken zu pittoresk.
[ Andreas Körner ]