Originaltitel: ST. TRINIANS
GB 2007, 101 min
Verleih: Concorde
Genre: Komödie, Schräg, Schwul-Lesbisch
Darsteller: Rupert Everett, Colin Firth, Lena Headey, Stephen Fry, Mischa Barton
Regie: Oliver Parker, Barnaby Thompson
Kinostart: 07.08.08
Der Einstieg ins Internatleben könnte für die zartbesaitete Annabelle nicht schrecklicher sein. Schon auf dem Hinweg wird klar, daß dies eine Reise ins Reich der Verkommenheit sein wird: auf Pfählen gespickte Totenköpfe und brennende Autos zieren die vorbeiziehende Landschaft, das Empfangsmädchen in dem arg heruntergekommenen Haus schließlich kriegt den Allerwertesten gar nicht hoch, weil deren Hirn - in nüchterner Selbsterkenntnis - erst mittwochs richtig warm läuft, wenn sie samstags gesoffen hat.
Doch das Sahnehäubchen in diesem Hogwarts für die Unterschicht ist die Schulleiterin selbst: mit Camilla-Bowles-Gedächtnisfrisur, strahlendem Überbiß, kräftigen Waden im derben Stoff und harter Hand regiert die "Dame" den fast nicht kontrollierbaren Haufen aus Emos, Bitches, Poshs und anderen durch die Maschen des britischen Sozialsystems rasselnden Jungmenschen. Man schikaniert sich, filmt Neuankömmlinge unter der Dusche, das Internet weiß diese Aufnahmen entsprechend zu plazieren. Annabelle bekommt all dies zur Begrüßung im gehörigen Maß zu spüren, Vertrauenslehrer - wie das heute heißt - kann man hier getrost ins Reich der Phantasie schnipsen, erzlesbische Sportlehrerinnen, dauerqualmende Pauker und schluckfreudige Unterrichter können da kaum zur Hilfe gereichen. Und doch stellt sich bald darauf so etwas wie ein großer Zusammenhalt ein, denn St. Trinian ist in Gefahr, da so ein Hort des Verdarbten ein Stich im Herzen des Bildungsministers Thwaites ist. Der also mokiert den großen Aufräumer, gibt schmissige Parolen vor laufenden Kameras, bis er Miss Fritton, der etwas ungewöhnlichen Schulleiterin gegenüber steht ...
Und da Fritton und Thwaites vor Urzeiten mal ein Techtelmechtel hatten, und die unorthodoxe Direktorin von einem umwerfenden Rupert Everett und der Politiker von Colin Firth gegeben werden, ist dies der Zeitpunkt für ein superbes Filmzitat aus dem Munde Everetts: "Another Time, Another Country." Kenner des einzig brauchbaren Werks von Marek Kanievska schlagen sich auf die Knie, alle anderen werfen sich ohnehin wegen des pinkfarbenen Jogginganzugs von Fritton in den Sand. Kurzum: den Zuschauer erwartet nicht mehr und keineswegs weniger als das anarchistischste Stück Lachkino seit langem! Denn genau das ist diese knallige, mit ordentlichem Trash-Faktor versehene, quietschbunte Komödie ohne Frage, hier wird auf britisches Understatement gepfiffen, auf verklemmte Moral, auf abendländisches Anstandsgebell. ST. TRINIAN ist derb, erfrischend vulgär, fast atemlos brüllkomisch und in seinen besten Momenten einfach nur gaga. Aber doch nie ohne Herz, und das macht noch jede gelungene Komödie aus, die zwar auch Unappetitliches serviert, die ästhetisch Streitbares auffährt, die aber nie ihre so herrlich grenzwertig entworfenen Hauptcharaktere vorführt.
Und noch mal zu Rupert Everett, der hier so richtig vom Leder ziehen kann. Mit welcher Spielfreude, kindischer Kostümlust er diese Camilla Fritton und zugleich noch deren Bruder spielt, hat so gar nix vom angestaubten Image von Charlys Tante, sondern ist Camp As Camp Can Be.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.