Originaltitel: LA RAFLE
F 2010, 115 min
FSK 12
Verleih: Constantin
Genre: Drama, Historie
Darsteller: Hugo Leverdez, Jean Reno, Mélanie Laurent, Gad Elmaleh, Raphaëlle Aguogué, Catherine Allégret, Sylvie Testud
Stab:
Regie: Rose Bosch
Drehbuch: Rose Bosch
Kinostart: 10.02.11
Die Ermordung von mehr als fünf Millionen Juden gehört zu den moralischen Leerstellen der Weltgeschichte, obwohl sie wie kaum ein anderes Verbrechen mit unzählbaren Daten, Zahlen und Fakten dokumentiert ist. Gerade die Filmkunst sucht immer wieder nach Formen, um die Monstrosität des Holocaust zu fassen. Mit ihrem Deportationsdrama stellt sich nun auch Rose Bosch in diese Filmtradition – und landete in einer Debatte, über deren eigentliches Thema noch zu reden sein wird.
Auf der Grundlage von Recherchen, vor allem aber mit pathetischer Wucht reinszeniert Bosch die Ereignisse um den 16. Juli 1942. „Auf Wunsch“ der Nazibesatzer trieben französische Gendarmen in einer Massenrazzia 13000 Juden aus dem Großraum Paris zusammen und direkt in die Arme der deutschen Vernichtungsbürokratie. Der 11jährige Joseph, Geschwister, Spielkameraden, jäh aus einem halbwegs unbeschwerten Kindersommer gerissen, können der Festnahme trotz Warnung durch die Nachbarn nicht entkommen. Zu 7000 werden sie in der Pariser Winterradrennbahn eingesperrt, notdürftig versorgt von einer Krankenschwester und einem jüdischen Arzt. Beide begleiten die Kinder ins Durchgangslager Beaune-La-Rolande, für fast alle letzte Lebensstation vor Auschwitz.
Unter dem Schlagwort „Rafle du Vélodrome d’Hiver“ wurde die französisch-deutsche Mordkollaboration beschämender Teil der Nationalgeschichte, zu dem sich erst 1995 ein französischer Staatspräsident offiziell bekannte. Doch die „gesellschaftliche Debatte“, in die sich die Regisseurin mit einigem Stolz verwickelt sieht, ist ein Mißverständnis. Denn nicht ein Tabubruch, sondern die künstlerische Form bietet Anlaß zu Unbehagen. Ohne jedes Zutrauen in die Empathiefähigkeit ihres Publikums beackert uns Bosch mit allerhand grobem Kinowerkzeug, als gelte es, tumbe Steine zu erweichen. Zu erschrockenen Kinderaugen spielt eine Geige, jedem Angstschrei folgt ein Ausrufezeichen – eine getunte Schußfahrt an die Grenzen zum Gefühlskitsch, die einem Tränen nicht abringt, sondern sie erpreßt.
Daß Filme wie diese oft mehr Zuspruch erfahren als andere, muß wohl als Tatsache gelten. Daß es klügere, riskantere cineastische Wege zur emotionalen Publikumsbeteiligung gibt, stimmt allerdings auch.
[ Sylvia Görke ]