Froh kann man sein, daß dieser Film aus Frankreich und nicht Deutschland stammt. Zunächst, weil die Hauptfigur sonst vermutlich Sarah Wiener hieße – wie lustig passend! So aber zergeht schon ihr Name auf der Zunge: Hortense Laborie. Auf einer antarktischen Forschungsstation versorgt sie die dort arbeitende Belegschaft mit kulinarischen Höhenflügen, hat das Mannsvolk fest im Griff. Früher war Hortense allerdings Leibköchin des Präsidenten. Was geschah?
Erneut schließt sich Freude an. Zum Beispiel muß man nie ersehen, wie Frau Wiener Richard von Weizsäcker deftige Weißwurst serviert, und außerdem tendierte teutonisches Kino wohl erklärerisch-dramatisch dazu, den bitteren Absturz einer Unangepaßten zu zeigen. Tut das hiesige Werk ansatzweise zwar gleichfalls, nur viel zarter, luftiger, lockerer. Eine schnell angedeutete Tochter genügt als Biographie für Hortense, ansonsten spricht die Dame für sich, in jeder Hinsicht. Auch gern mal laut, deftig ironisch angesichts unzähliger Regeln, Vorschriften oder fehlender Informationen rund um das Staatsoberhaupt. So macht sich unsere unkonventionelle Provinzpflanze schnell unbeliebt bei den Speichelleckern, zu kurz gekommenen Vasallen und heimlichen Intriganten. Der Präsident selbst schätzt ihre an Oma erinnernden Herdkünste, schleicht gar nachts zu seiner Bediensteten, um zu plaudern. Ein weiterer Neidfaktor.
Ausgewogen dezent bleibt da der Humor, überdeckt niemals die kritischen Töne. Und ein letztes Mal umweht Erleichterung das Zuschauerherz. Hier lugt zum Glück keine Iris Berben stets sorgenvoll und lippenzitternd aus der Küchennische, sondern schwebt die unvergleichliche Catherine Frot leichten Fußes zwischen den Töpfen umher. Immer den Schalk im Nacken, geerdet, reale Emotionen transportierend. Und auf ihren wenig breiten Schultern so eine ganze Geschichte tragend, welche großartige Handlungsausbrüche ignoriert, ohne deswegen Längen aufzuweisen, einfach hinschaut, abschmeckt, Seele und Sinne berührt, mal weg von den aufgetischten Speisen mit hungerauslösendem Potential nicht zuletzt durch Gabriel Yareds manchmal schon fast kindlich staunende Musik. Was beweist: Magie schlummert oft dort, wo sie niemand wirklich vermutet hätte. Hier eben unter der Kruste benutzter Pfannen und im Abwaschwasser. Ja, man muß wirklich froh sein, daß es ein Filmland wie Frankreich gibt.
Originaltitel: LES SAVEURS DU PALAIS
F 2012, 95 min
FSK 0
Verleih: Alamode/Wild Bunch
Genre: Tragikomödie, Poesie
Darsteller: Catherine Frot, Jean d’Ormesson, Hippolyte Girardot
Regie: Christian Vincent
Kinostart: 20.12.12
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...