Ob die Arbeitslosenquote im beschaulichen Örtchen Tanne im Harz prozentual wohl höher ist als in Sheffield? Schon möglich, zumindest steht es Pate für eine Arbeitslosenkomödie nach britischem Rezept. Wo die Sheffielder in GANZ ODER GAR NICHT gegen Tatenlosigkeit und Selbstmitleid anstrippen, veranstalten die Tanner Jungs, alles ehemalige Waldarbeiter, einen Holzfällerwettbewerb für Erwerbslose, bei dem nicht nur das Selbstwertgefühl, sondern auch 20.000 Euro selbst eingesetztes Preisgeld auf dem Spiel stehen.
Die Jungs, das sind der Heimkehrer und Wettbewerbsinitiator Krischa, der wegen seiner Großspurigkeit allerdings bei den meisten Tannern nicht gerade willkommen ist, der gutmütige und gesetzte Ronnie, der sich nicht gegen seine Familie durchsetzen kann, und der mürrisch-ängstliche Bert, der noch immer unter der Fuchtel seiner Mutter steht. Dazu gehört natürlich noch eine zartfühlende Vater-Sohn-Geschichte, wenn Krischa erfährt, daß er bei seiner Flucht ein Kind hinterlassen hat, und die Aussicht auf eine neue Solidarität unter den Einheimischen. Die Jungs sind also sympathische Verlierertypen. Man kann sie gern haben. Man soll sie gern haben. Und das merkt man leider allzu deutlich.
Trotz erkennbarem Lokalkolorit - Volkstänze, Brockenwanderung und Peter Sodann als Eberwirt - verpaßt der Film, eine eigene Note zu entwickeln und traut sich nicht, vom gängigen Muster abzuweichen. Schon wenn im Vorspann Krischas Bus die Ortsschilder "Sorge" und "Elend" passiert, ist klar, hier wartet so mancher alter Hut. Auch dramaturgisch gäbe es einiges auszubessern. Wie es das Handbuch lehrt, legt sich bis zum Wettbewerb ein Stein nach dem anderen in den Weg, doch wenn diese Hindernisse sofort wieder beseitigt werden, nützt das nicht allzu viel. Die wiedergewonnene Tatkraft der Männer wirkt damit doch ein wenig ermogelt.
Da der Film aber schließlich auch von Fairneß handelt, vergessen wir nicht die Momente mit Emotionspotential. Wenn Ronnie endlich auf den Tisch haut oder Krischas Sohn heimlich raucht und vermeintlich das Waldstadion anzündet. Leider wird es nicht ausreichend genutzt. Erwähnung finden sollte auch eine trotz Nebenrolle sehr präsente Christina Große als Mutter des kleinen Rauchers.
D 2006, 94 min
Verleih: Neue Visionen
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Bjarne Ingmar Mädel, Frank Auerbach, Steven Merting, Peter Sodann
Regie: Matthias Keilich
Kinostart: 24.08.06
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...