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Die Königin und der Leibarzt

Halb zog sie ihn, halb sank er hin

Der Geheimtip-Nimbus, jene heimlichtuerische Wertschätzung der cineastischen Gourmands, gehört sicher zu den schönsten Luxusproblemen der skandinavischen Filmkultur. Nicht jeder mag sich in dieser oft mit „bescheiden“ oder „authentisch“ assoziierten Nische einrichten – und sei sie auch noch so exklusiv. Nikolaj Arcel, zum Beispiel, stürmt einfach in den Prunksaal des Kinowesens, wo man sich mit Kleinigkeiten in bescheidenem Gewand gar nicht erst abgibt.

Seine vierte Regiearbeit, gleichzeitig die bislang aufwendigste, führt an einen neuralgischen Punkt der europäischen Geschichte, nämlich an den Hof von König Christian VII. zur Zeit der Aufklärung. Kaum den Kinderschuhen entwachsen, fällt diesem nicht nur die Regentschaft über Dänemark und Norwegen zu, sondern auch eine Gemahlin. Caroline Mathilde heißt die Anmutige, kommt mit den größten Hoffnungen aus London angereist und sieht sich einem Kretin gegenüber, der seinen Hofstaat mit spitzbübisch-bösartigem Schwachsinn auf Trab hält. Nur dem deutschen Armenarzt Johann Friedrich Struensee gelingt es, das Vertrauen des blaublütigen Wirrkopfs zu gewinnen. Immer wichtiger wird Struensees Stellung bei Hofe, immer selbstbewußter nutzt er seine Position zur Durchsetzung aufklärerischer Ideen. Ja, welche Königin wäre da nicht beeindruckt?!

Die seltsame, historisch belegte Dreierbeziehung von auch politischer Sprengkraft ist, wenigstens in Dänemark, längst Legende und führt ein schillerndes Eigenleben zwischen Ideen-, Staats- und Liebesgeschichte. Arcel versucht, allen diesen Aspekten gerecht zu werden und gleichzeitig die Balance zu den Opulenz- und Geschmeidigkeitsansprüchen des Kostümfilmliebhabers zu halten. Wer sich allerdings im üblichen Gemisch aus Brokat, Seide, Rüschen und historisierendem Goldstaub suhlen möchte, wer sich auf urgemütliche Kameraspaziergänge durch möblierte Tableaus freut, wird über die visuelle und sprachliche Ruppigkeit einiger Szenen verwundert sein. Vielleicht aber auch nicht.

Denn ein paar Körnchen Sand im Getriebe sind wohl das mindeste, was man von einem Film erwarten kann, der sich – zugegeben etwas geckenhaft – mit einem Produzenten Lars von Trier schmückt.

Originaltitel: EN KONGELIG AFFÆRE

DK/D 2012, 133 min
FSK 12
Verleih: MFA

Genre: Drama, Liebe, Biographie

Darsteller: Mads Mikkelsen, Mikkel Følsgaard, Alicia Vikander, Trine Dyrholm

Stab:
Regie: Nikolaj Arcel
Drehbuch: Nikolaj Arcel, Rasmus Heisterberg

Kinostart: 19.04.12

[ Sylvia Görke ]