Originaltitel: LES BONNES INTENTIONS
F 2018, 103 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Agnès Jaoui, Alban Ivanov, Tim Seyfi, Claire Sermonne, Michèle Moretti
Regie: Gilles Legrand
Kinostart: 30.01.20
Sie kennen bestimmt – schon länger oder erst seit kürzerem, im Fahrwasser von Klimakrise und Flüchtlingsfrage – einen Menschen, dessen pure Anwesenheit ein schlechtes Gewissen verursacht. Weil man selbst so wenig anleiert, selten demonstrierend durchs Viertel zieht, keine eigengestalteten Flyer an Laternen klebt. Eben jemanden wie Isabelle: Stets zum kämpferischen Referat bereit, Suppen- statt Einbauküche, Wohltätigkeit als Droge, jeder darf unter Big Mamas meterspannweit ausgebreitete Fittiche. Ausgenommen Deutsche. Die üblen Bösen. Primär dann, wenn sie Elke heißen und nicht bloß neue Lehrerkollegen, sondern auch methodentechnisch frisch genug aufgestellt sind, Isabelle den opferreich erhetzten Rang abzulaufen …
Was die gesellschaftliche Lagerspaltung nur zu gern aus dem Fokus rutschen läßt, beantwortet hiesiger Film perfekt – die Ausgewogenheitsfrage nämlich. Haben grimmiges Aufstampfen, bockig-repetitives Runterbeten des persönlichen Standpunkts, Mutation zur Endlosschleife auf Beinen je Diskussionen bereichert? Pauschalisierung gärt, gleich allem anderen, stets zweiseitig, Isabelles Güte vermag verblüffend radikal umzuschlagen, unproduktivem verbitterten Frust Platz zu schaffen. Dabei gibt’s viel zu erledigen, Prostituierte mittels Nähkursen integrieren beispielsweise, am feierlichen Eßtisch ausloten, welcher Organisation Unterstützung gebührt oder die eiskalte Schulter gezeigt wird. Derart subtil funktioniert kritisches Kommentieren, ballert lahme Holzhammerrhetorik ins Abseits.
Auf seine thematische Relevanz bedacht, verabreicht das Drehbuch Humor und Emotionen in eher kleinen Dosen, schert sich kaum um gängigen Unterhaltungswert. Umso befreiender züngeln punktuell wieder dezent stichelnde Gags hoch; die Gefühlslage bleibt allerdings eine schwankende. Versteht Isabelle die Bitte um ein Mutter-Tochter-Ding, lediglich etwas gemeinsam verbrachte Zeit, komplett falsch und möchte sofort Gynäkologenbesuche initiieren, paßt das wunderbar ins charakterliche Mosaik. Die abschließende Rede am Sarg, quasi ein papieren raschelnder Das-mußte-sie-aus-Absolutionsgründen-jetzt-dringend-tun-Vortrag, irritiert hingegen.
Denn da tappt das Skript final blind in die bisher angeprangerte Moralfalle. Findet aber vorab zur tatsächlich allgemeingültigen Wahrheit: „Es gibt Leute, die zu blöd sind!“ kann man rein gar nix hinzufügen.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...