Originaltitel: L’ANGLAISE ET LE DUC
F 2001, 125 min
Verleih: Tobis
Genre: Drama, Historie
Darsteller: Lucy Russel, Jean-Claude Dreyfus, Léonard Cobiant, Caroline Morin
Regie: Eric Rohmer
Kinostart: 27.06.02
Die Lady heißt Grace Elliott und ist kein Tramp, sondern die Mätresse des Herzogs von Orléans. Eine schöne und kluge Dame, zudem eine Royalistin, voller Liebe und Verehrung für König Ludwig XVI.
Lucy Russell erweist sich als wahrer Glücksgriff für diese Rolle: Sie bringt eine vielschichtige Frau auf die Leinwand, dekadent und exaltiert, aber auch emotional und verletzlich, immer würdevoll und – wenn man so sagen darf – unter den Spitzenkleidern mit wirklich Arsch in der Hose. Eine Flamme im Sturm der Ereignisse. Selbige fangen an, sich zu überschlagen, denn Grace ist mit eisernem Willen bereit, ihren Idealen treu zu bleiben, was sich in Zeiten der Französischen Revolution als riskant erweist. So begibt sie sich in größte Lebensgefahr, als sie einem Getreuen des Königs die Flucht nach England ermöglicht.
Mutige Wege beschreitet gleichfalls Eric Rohmer, indem er die herrschende Geschichtsschreibung auf den Kopf stellt, sie quasi "von oben" betrachtet, eine Angehörige des Adels zur positiven Identifikationsfigur stilisiert. Ebenso ungewöhnlich die Bildsprache: Für Außenaufnahmen wurden die Schauspieler digital in Gemälde eingefügt, agieren vor unwirklich statischen Hintergründen. Die entstehende Atmosphäre ist hypnotisch, surreal – Schein und Sein vermischen sich.
Grace beginnt ebenfalls, an ihrer Wahrnehmung der Geschehnisse, dem Erfolg ihrer Mission zu zweifeln, kann sie doch den Herzog nicht hindern, für die Exekution des Königs zu stimmen. Die Situation spitzt sich zu; bald wartet die Guillotine auch auf ihren zarten Hals ...
Schon allein, weil man sich dabei ertappt, wirklich um Grace zu bangen, wäre es schade, wenn dieser Streifen unter Ausschluß der Öffentlichkeit liefe. Kein typischer Kostümschinken mit James-Ivory-Bonus, in dem das Rascheln der Kleider distanzierte Darsteller beim endlosen Schwafeln über Lust und Leid der Liebe unterstützt – hier dienen Worte dem Duell, treibt die Hauptfigur im Bemühen, sich niemals aufzugeben, auf den Abgrund zu, wächst ans Herz. Eine aufregende Geschichtsstunde, gleichsam ein faszinierendes visuelles Experiment.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...