Wo sind sie nur hin, die wirklichen Helden? Gebrochene Zweifler bekommt man im Kino zu sehen, grübelnde Melancholiker, zwielichtige Zyniker. Das Heroinen-Gespann aus Regisseurin Gillian Armstrong und Darstellerin Cate Blanchett rudert jedoch mit viel Aufwand und Gefühl zurück in die untergegangene Welt der prähistorischen Geradlinigkeit, die Welt der Charlotte Gray.
Als Charlottes Liebster zu einem Einsatz ins besetzte Frankreich befohlen wird und spurlos verschwindet, unterzieht sich die Schottin einer militärischen Ausbildung, und schon geht’s ab in die Résistance. Mit welchem genauen Auftrag die junge Dame hier per Fallschirm in den Widerstand plumpst, bleibt im Verborgenen. Schon ist man mittendrin in einer dampfenden Abenteuersuppe aus Geheimnissen, Romantik und frischer Landluft, die so gut bei Kräften hält, daß die Strapazen von Mord, Verfolgung und anderen Unannehmlichkeiten kaum Spuren in den Gesichtern hinterlassen. Der vermißte Brite gerät in Vergessenheit, in Charlottes Herz pocht der Name Julien. Gemeinsam werden Sabotageakte verübt, Päckchen und Nachrichten weitergeleitet, und schließlich nimmt sich Charlotte zweier jüdischer Kinder an. Weder die Jungen noch Juliens Vater, ihren ruppigen Gastgeber im Bilderbuch-Châlet, wird sie retten können.
Natürlich gebühren dem Pathos von Tragik und Liebe die ganz großen Bilder. Sicher kämpft es sich in malerischer Umgebung eleganter als anderswo. Doch so viel aparte Schönheit muß stutzig machen: Würde einer irdischen Frau im Ringen mit dem Feind nicht wenigstens der Lidstrich entgleiten? Nun, nicht wenn die Film-Visagistin ihr Handwerk liebt. Morag Ross, weitere Heldin alter Schule im Bunde, führt in diesem farb- und gefühlssatten Leinwandmelodram den wohl härtesten Kampf: Sie rettet die Produkte von Vertragspartner Ellen Betrix vor allen Verheerungen des Krieges. Viel loses Puder liegt über historischen und erzählerischen Unstimmigkeiten - nirgends eine Charakterfalte und vor allem kein Glanz.
Originaltitel: CHARLOTTE GRAY
GB/F 2001, 120 min
Verleih: Senator
Genre: Liebe, Literaturverfilmung
Darsteller: Cate Blanchett, Billy Crudup, Michael Gambon
Regie: Gillian Armstrong
Kinostart: 26.12.02
[ Sylvia Görke ]