Der Friedensprozeß zwischen Israelis und Palästinensern hat erhebliche Rückschritte erlitten. Viele sind der Meinung, der sogenannte Sicherheitszaun, der nach dem Willen der Regierung beide voneinander trennen soll, habe die Chancenlosigkeit auf Frieden zementiert. Simone Bitton vermittelt in ihrem Dokumentarfilm auch diesen Eindruck. Aber sie muß es weder aussprechen, noch läßt sie sich von den steinernen Tatsachen abspeisen. Immer wieder filmt sie die Mauer, ausdauernd, in langen Standbildern und Fahrten. Eine Kamera ist eine schlechte Waffe gegen Beton, so scheint es, ein Kampf David gegen Goliath. Doch die richtigen Bilder verleihen dem politischen Abstraktum, als das die Trennlinie weltweit durch die Nachrichten geistert, ein Gesicht und eine menschliche Dimension.
Der Film ist eine Momentaufnahme, er nimmt sich die Zeit, an den öden Wänden, an Stacheldraht und planierten Wegen zu verweilen. Stück für Stück wird die Mauer zusammengesetzt und verhängt wie ein Vorhang die Gegend, trennt Dörfer von ihren Feldern, Menschen von ihrer Arbeit, Nachbarn von ihren Nachbarn. Ein 50 Meter breiter Kontrollstreifen schlängelt sich bereits durch die Hügellandschaft, darüber liegt der Lärm schwerer Baufahrzeuge. Entlang dieser Linie trifft die Filmemacherin auf Bauarbeiter, Anwohner, Passanten und fragt sie nach ihren Namen. Oft werden die Stimmen aus dem Off eingespielt.
Die Konstrukteure hingegen, ein Beamter des Verteidigungsministeriums und ein Betonlieferant, stellen sich in einer Face-to-Face-Situation durch den sachlichen Ton ihrer Aussagen selbst bloß und bezeugen die Absurdität der Situation. Nicht zuletzt bezieht Bitton auch sich selbst mit ein. Sie versteht sich als arabische Jüdin. In einer Schaltung in den Gaza-Streifen will sie von einem Psychologen wissen, ob sie verrückt ist - oder ob es die anderen sind.
An einer Stelle der Mauer stoßen wir auf eine Bemalung, welche die diesseitige Landschaft auf der anderen Seite fortsetzt. Ein ähnliches Prinzip verfolgt der Film. Durch seine Bilder vom Alltag an der Mauer macht es das Ausmaß des Konfliktes erkennbar und appelliert für dessen friedliche Lösung.
Originaltitel: MUR
F/Israel 2004, 96 min
Verleih: Ventura
Genre: Dokumentation, Polit
Regie: Simone Bitton
Kinostart: 05.01.06
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...