Ein Mönch führt Regisseur Stanislaw Mucha durch den Kirchturm. Hier sei eigentlich die Mitte Europas, ein Engel habe es den Vorfahren verraten. Doch aus praktischen Gründen wurde das Denkmal für die Mitte unweit des Klosters plaziert. Er zeichnet auf Muchas transparenter Europakarte die genaue Position ein. "Und was sind die ganzen anderen schwarzen Punkte?" Er würde sich wundern! All die Markierungen sind ebenfalls Orte, die für sich beanspruchen, das Zentrum Europas zu sein.
Nach ABSOLUT WARHOLA folgte Regisseur Mucha erneut einer Dokumentationsidee, auf der groß und breit "Jackpot!" steht. Die Suche nach Europas Mittelpunkt führt ihn nicht nur quer durch die Lande - vornehmlich östliche. Nein, ihm widerfahren auch die skurrilsten Begegnungen und Situationen. In der Nähe des litauischen Dörfchens Purnuskes stapeln sich Tausende defekte Fernseher zum "Monument des Zentrums Europas", und im österreichischen Braunau am Inn fotografieren japanische Touristen das Geburtshaus Hitlers. Einige Straßen weiter steht der Gasthof "Mittelpunkt Europas", denn " ...hier war das Zentrum und hier bleibt es auch!". Und Polen hat mindestens drei Mittelpunkte. Da mag man schmunzeln, doch das bittere Prickeln auf der Zunge bleibt nicht aus. Und man lobt sich den Deutschen, der um die geographische Markierung in seinem Rasen akribisch Armeen von Gartenzwergen anordnet ...
Kreuz und quer über die Landkarte führt uns die atemlose Reise. Doch nach der Hälfte (soll man sagen in der Mitte?) verliert sie an Dynamik, denn der eigentlich Fokus scheint nicht klar. Was will Mucha, warum schleift er uns diagonal durch die Staatengemeinschaft? Und warum läßt er sich gerade im ukrainischen Rachiv nieder, einer der vielen Stationen? Hier verweilt die Doku, verfolgt den Alltag am Kiosk von Raja, die alles und jeden zu kennen scheint. Interviews werden eingestreut und eine Stadt zwischen Zeitzonen porträtiert. Hat den Regisseur der Mut verlassen? Oder kam nur die Einsicht, daß das künstliche Konstrukt Europa einfach keinen natürlichen Mittelpunkt haben kann? Man weiß es nicht.
Zu einem klaren Statement mag sich DIE MITTE nicht durchringen, und so bleibt vor allem das oberflächliche Amüsement über sensationsheischendes Kleinbürgertum. Und das kann doch schon sehr viel Spaß machen.
D 2004, 85 min
Verleih: Ventura
Genre: Dokumentation, Schräg
Stab:
Regie: Stanislaw Mucha
Drehbuch: Stanislaw Mucha
Stimmen: Stanislaw Mucha
Kinostart: 27.05.04
[ Roman Klink ]