• Meinungen

Die neun Leben des Tomas Katz

Bösartig-skurriles Endzeitspektakel

Die Erde spuckt ihren eigenen Vernichter aus. Viele filmische Weltuntergangsvisionen haben diese grauenhaft plausible Idee gestaltet, doch selten hat man sie so unverschämt buchstäblich umgesetzt. Regisseur Ben Hopkins hält sich nicht mit Metaphern auf. Sein Endzeitbote klettert aus der Kanalisation am Londoner Stadtrand. Ein Taxifahrer nimmt ihn mit, wundert sich kurz über den eigenartigen Gesellen, denkt sich weiter nichts - und schon haben die beiden die Identitäten getauscht. Nunmehr in der Rolle eines Taxichauffeurs fährt Tomas Katz beim Fischereiministerium vor, der Minister steigt ein, ein kurzer Wortwechsel - Katz wird zum Minister für Fischereiangelegenheiten.

Seiner neuen Position voll ergeben und im Bewußtsein der ihm zur Verfügung stehenden Macht ruft er zum Krieg gegen einen ehemals befreundeten Staat auf. Neun mal wechselt der chamäleongleiche Fremde seine Haut, erobert lautlos und unbemerkt die Schaltstellen der Metropole, um überall Chaos zu stiften. Einzig der blinde Chef der Londoner Polizei ahnt Furchtbares. Als ihm klar wird, daß mit herkömmlicher Ermittlungsarbeit nichts zu erreichen ist, versetzt er sich mittels einer Séance in die Astralebene.

Die Welt geht unter und Hopkins lacht sich scheckig. Schamlos aber absolut gekonnt bedient er sich bei Science Fiction, Mystery, Stumm-filmästhetik und Clipart und zaubert eine an Darren Aronofskys PI erinnernde Schwarz-Weiß-Optik, die händeringende Ernsthaftigkeit suggeriert, aber von der Absurdität der Ereignisse beständig unterlaufen wird. Keine Psychologie rettet die unglaublichen Vorgänge, keine vordergründige Gesellschaftskritik verweist auf etwa versteckte Logik. Assoziativ wie MONTY PYTHONS FLYING CIRCUS und getrieben vom unerbittlichen Countdown, der die Zeit bis zur bevorstehenden Sonnenfinsternis herunter zählt, steuert alles auf das phantastische Finale zu: Der Sicherheitsbeamte Dave löscht auf seinen Überwachungsbildschirmen nach und nach die Stadt aus. Wenn das Ende wirklich so aussieht, bin ich dabei!

[ Sylvia Görke ]