Originaltitel: VENTAJAS DE VIAJAR EN TREN
Spanien/F 2019, 103 min
FSK 16
Verleih: Neue Visionen
Genre: Schräg, Episodenfilm
Darsteller: Luis Tosar, Pilar Castro, Ernesto Alterio, Quim Gutiérrez, Belén Cuesta
Regie: Aritz Moreno
Kinostart: 20.08.20
Tage wie dieser: Helga hat eben ihren Mann, der sich vom Anblick seiner Fäkalien nicht mehr losreißen konnte, im Nervensanatorium beheimatet, da begegnet sie im Zug nach Hause einem Psychotherapeuten besagter Heilstätte. Und er tut, was wir alle echt schätzen, ungefragt anquatschen nämlich, schildert Helga die Story eines Ex-Patienten des griffigen Namens Martin Urales de Úbeda; Soldat, einarmig, traumatisiert.
Jene so selbstvergessen höflich angehörte Saga wird die arme Helga wortwörtlich fast zum Erbrechen animieren und uns zunächst verblüffen, dann köstlich amüsieren, letztlich heftig verstören. Aber zum Glück und puh! Sämtliche widerlichen menschlichen Abgründe, deren rückblickende Beschreibung eine – altruistisch motiviert – als Edelnutte jobbende Medizinerin übernimmt, sind nur sehr eingeschränkt glaubhaft, dazu trägt final eine in Verletzungsabsicht geworfene Krokette zur emotionalen Entspannung bei. Moment! Hat’s nicht gerade von fern gedonnert? Wenn ja, war’s unser Plot hier, welcher durchknallte. Komplett irreversibel, mit Mutter und Sohn, die sich eine Frisur teilen, unverhofften Geschlechtswechseln und derart gedehnter Realität, daß manche x-mal gedrehte Lüge wieder an der Wahrheit ankommt. Vielleicht.
Wie Mitte Juni die allwissende Datenkrake Google zu vermelden wußte, gefiel vorliegender Film vergleichsweise dünnen 55% der Nutzer. Wir korrigieren, von „gefallen“ kann keine Rede sein, es müßte „drauf einlassen, Mentalkorsetts sprengen“ heißen. Und „Mut aufbringen“, denn das anknüpfende Kapitel 2 testet uns noch gnadenloser, indem es Helgas „lebhafte Leistengegend“ einer näheren Prüfung unterzieht. Was irgendwie entspannt erotisch klingt, biegt erst zur zukünftig eventuell großartigen Zweierverbindung ab. Indes lediglich geheuchelter Vorbote folgender Ereignisse auf dem Weg zum bitterbösen Psychoterror, Love Is A Battlefield, die Waffenverteilung jedoch inhuman, Tomatenmesser gegen Raketenwerfer sozusagen. Wo Liebeslieder zu Hohn geraten, Zuneigung Perversion freischaufelt und Abhängigkeit (auch formal) vollendete Finsternis gebiert, dort ist Helga nun daheim. Erzählkreise schließen sich.
Und weil gereichte Statuetten immer Eindruck schinden: Beim spanischen Golden-Globe-Pendant Premios Feroz gab’s – hoch verdient! – einen der Hauptpreise. Für die beste Komödie. Das mag man eine absurde Geschichte nennen.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...