Originaltitel: M. & MME ADELMAN
F/Belgien 2017, 120 min
FSK 12
Verleih: Temperclay
Genre: Drama, Liebe
Darsteller: Doria Tillier, Nicolas Bedos, Denis Podalydès, Antoine Gouy
Regie: Nicolas Bedos
Kinostart: 20.12.18
Liebe auf den ersten Blick, so spinnert wie wahrhaftig, verspricht die erste Begegnung zwischen Sarah und Victor nur von einer Seite aus. Sarah wird durchblitzt, weil der junge Mann dort an der Bar demnächst ihr ganzes Leben beeinflussen wird. Victors Gefühle sind eher knapp bemessen. Ob Sarah schön sei, fragt ihn sein Therapeut: „Nun, mit etwas Mühe, Make-up und einem guten Zahnarzt …“ Das, bitte, soll französischer Charme sein?
DIE POESIE DER LIEBE ist das Regiedebüt des Schauspielers Nicolas Bedos. Selbst für besonders Frankophile ist er ein neues Gesicht, das man jetzt zu sehen bekommt, da Bedos auch die Hauptrolle übernahm. Sarah besetzte er mit Doria Tillier, von der – das Phrasenschwein grunzt – gleichsam noch viel Gutes zu erleben sein dürfte. Beide Namen zu nennen ist an dieser Stelle wichtig, denn es wird ihre Frische sein, gekoppelt an eine nicht minder frische Inszenierung, die für das eher versöhnliche Ende eines eher lausigen Franzosenkinojahres sorgt.
Victor und Sarah, verheiratete Adelman, treffen 1971 in einem schäbigen Pariser Club aufeinander. Sarahs Off-Stimme als betagte Frau gesteht, daß es eben kein Buchladen oder Konzertsaal gewesen sei, was besser ins öffentliche Bild von Victor gepaßt hätte. Er, der verehrte Schriftsteller! Am Tag seiner Beerdigung packt Sarah gegenüber einem Jungautor aus, der eine Biographie über Victor verfassen will. Und er bekommt den Mund vor Staunen nicht zu, auch weil Sarah ziemlich genüßlich eine Zigarette auf Victors edlem Schreibtisch ausdrückt. „Keine Sorge, er hat ihn nie benutzt!“
Über drei Jahrzehnte spannt sich der Bogen von DIE POESIE DER LIEBE (lustig, daß diesmal der Originaltitel der Madame- und Monsieurisierung deutscher Verleihe in die Quere kommt). Sarah und Victor fliegen auf – und ringen miteinander, stochern in ihren Familien herum, woraufhin Victor zwanghaft Sarahs jüdische Wurzeln kappt. In den 80ern fühlen sie sich Disco, in den 90ern verblaßt Victors Ruhm („Alle schreiben, keiner liest!“), in den Nuller Jahren zieht Bitterkeit ein, bevor sich der Film einen wirklich hübschen Schluß-Twist gönnt, während die Masken für die gealterten Charaktere kaum hübsch zu nennen sind.
Aber: Hier ist einiges an Humor drin, pfiffiges Zeitkolorit, viel Wahres im Erdachten. Weil: Nach Victor Adelman sucht man in den Bibeln der Literaturgeschichte vergeblich.
[ Andreas Körner ]