Originaltitel: THE MAN WHO KNEW INFINITY
GB 2015, 108 min
FSK 6
Verleih: Wild Bunch
Genre: Biographie, Drama
Darsteller: Dev Patel, Jeremy Irons, Toby Jones, Stephen Fry
Regie: Matt Brown
Kinostart: 12.05.16
Oh ja, der Zauber der Summenformeln und Primzahlen! Und ach: diese Eleganz algebraischer Zahlentheorie zwischen asymptotischen Verhalten und Rekursionsformel! Und was verraten uns nicht alles die Isomorophietypen für die endlichen abelschen Gruppen? Und sind sie nicht auch Poesie, diese Kettenbruchfunktionen, mit denen nicht nur der Beweis transzendenter Zahlen (doch, heißt genau so: transzendente Zahlen) erbracht werden konnte, sondern die auch bei der Analyse chaotischer Systeme (doch, heißt so: chaotische Systeme) entscheidend mithalfen?
Ja, ob derlei Begrifflichkeiten kann es einem schwindlig werden. Zeigen sie allein doch schon, daß einem nichts gründlicher intellektuelle Demut lehrt als die höhere Mathematik. Womit man ihn auch verstehen mag – den etwas demütigen Erzählton, die fast schon ängstlich wirkende Konventionalität, kurz: den Gestus eines eingeschüchterten Schuljungen, mit dem sich jetzt Matt Browns Film DIE POESIE DES UNENDLICHEN seinem Sujet nähert. Nämlich dem kurzen Leben und nachhaltigen Wirken Srinivasa Ramanujans (1887-1920). Der war ein einzigartiges Mathematikgenie, ein Wunderkind der Zahlen, Formeln, Gleichungen, die ihm gleichsam zuzufliegen schienen. Browns Film setzt im Jahr 1913 ein: Um aus der Enge seines Daseins als einfacher Büroangestellter im kolonialen Indien ausbrechen zu können, kontaktiert Ramanujan den Mathematikprofessor G.H. Hardy in Cambridge. Der undogmatische Gelehrte erkennt schnell, wenn auch noch lange nicht im ganzen Ausmaß, Ramanujans Potential und holt ihn nach England. Dort reagiert das elitäre akademische Korps, befangen in intellektuellem Dünkel und rassistischem Ressentiment, weitgehend ablehnend auf den jungen Inder.
Und es ist dann auch dieser Konflikt, der dem Film, wenn schon keine mathematische, so doch dramatische Potenz verleiht mit Szenen, die ganz dem traditionellen Kinoerzählen folgen. Das weckt fraglos Empathie für das menschliche Drama – von der im Titel versprochenen Poesie, vom wie schon in transzendente Sphären driftenden Zauber der „reinen“ Mathematik ist indes wenig zu spüren. Diesbezüglich „scheitert“ der Film schlicht an der Formelhaftigkeit seiner Malen-nach-Zahlen-Inszenierung, hingegen er vor allem durch Jeremy Irons’ Spiel besticht.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.