Dichter besitzen die Fähigkeit, die Welt in wenige Worte zu verpacken und sie für diejenigen greifbar zu machen, die schnell mal den Halt verlieren. „Die Kunst des Verlierens studiert man täglich“, schreibt Elisabeth Bishop. „So vieles scheint bloß geschaffen, um verloren zu gehen.“
Hierzulande ist Bishops Name eher unbekannt. Erst nach ihrem Tod 1979 wurden einige ihrer Gedichte ins Deutsche übersetzt, dabei hatte die Amerikanerin schon 1956 den Pulitzer-Preis erhalten. 2011, anläßlich ihres 100. Geburtstages, erschien erneut ein Jubiläumsbändchen mit einer kleinen Auswahl ihrer Gedichte. Langsam sickert ihre Poesie also an die Oberfläche. Bruno Barretos neuer Film DIE POETIN wird den Prozeß höchstwahrscheinlich beschleunigen. Darin erzählt der brasilianische Regisseur aus ihrem Leben.
Anfang der 50er Jahre lebt Elisabeth Bishop in New York. Sie ist eine Zweiflerin und krankt an einer Schaffenskrise. Ihr Verleger bestärkt sie in ihrem Drang, sich eine Auszeit zu nehmen, um neue kreative Kraft zu sammeln. Sie kommt in Brasilien bei ihrer alten Studienfreundin Mary unter, die mit der erfolgreichen Architektin Lota in einem Haus am Rande von Rio de Janeiro lebt. Schnell drängelt sich Elisabeth in die Beziehung der beiden Frauen und erobert Lotas Herz, die die schwache und unsichere Elisabeth auf Händen tragen will. Die Liebe zu Lota beflügelt ihre Arbeit. Sie schreibt, wird berühmt, das klare Kräfteverhältnis zwischen den Frauen aber gerät ins Wanken.
DIE POETIN ist ein stilvoll ausgeleuchtetes Porträt einer Künstlerin. Miranda Otto als Elisabeth Bishop aber sammelt nicht ausschließlich Sympathiepunkte. Distanziert und unnahbar zeichnet Barreto diese Frau, die immer darauf bedacht ist, ihre Haltung zu wahren und echte Gefühlsregungen kaum zuläßt. Das Image der eitlen, auf sich selbst bezogenen Künstlerin weicht nicht auf, und so wird es schwer, trotz der Rückblicke in die Vergangenheit, ihr Wesen zu begreifen. Selbst ihre Gedichte, die ihr im politisch wankelmütigen Brasilien leicht über die Lippen kommen, ändern daran wenig, handeln sie doch eher vom Alltäglichen. „Ich verlor zwei Städte, die ich sehr liebte, Königreiche, die einst mein, verlor zwei Flüsse, einen Kontinent“, schreibt sie.
Einblick in ihre Seele gewährt sie über die Umwege der Verallgemeinerung. Im Film ist es weitaus schwieriger, daraus etwas Magisches zu zaubern als in der Dichtkunst.
Originaltitel: FLORES RARAS
Brasilien 2013, 110 min
FSK 6
Verleih: Pandastorm
Genre: Drama, Biographie, Schwul-Lesbisch
Darsteller: Miranda Otto, Glória Pires, Tracy Middendorf
Regie: Bruno Barreto
Kinostart: 10.04.14
[ Claudia Euen ]